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Haftungs-Problem

Badeaufsicht nicht zu leisten – Land soll helfen

Waren / Lesedauer: 4 min

Wer haftet an Badestellen mit Steg, wenn diese nicht beaufsichtigt werden? Nicht der kommunale Versicherer, stellte dieser aktuell klar. Seenplatte-Kommunen fordern das Land zum Handeln auf. Außerdem gibt es eine Idee, die nötige Aufsicht bei Badestegen zu umgehen.
Veröffentlicht:24.07.2020, 07:14

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Gegen jedwedes potenzielle Badeunglück kann niemand versichert sein, doch Heinz Gerull (parteilos) fordert als Bürgermeister der Gemeinde Walow genau das – und zwar vom Land. Walow verfügt über eine idyllische Badestelle. Sie ist beliebt bei Einheimischen wie Auswärtigen. Der Tourismus im Ort profitiert auch von der „Badestelle vor der Haustür“. Ein künstlich angelegter Badesteg führt einige Meter ins Gewässer. Springt jemand von dort ins Wasser und ertrinkt, droht Heinz Gerull als Gemeindechef ein Prozess. Denn die Badestelle mit Steg wird derzeit nicht beaufsichtigt. Ein Schild verweist darauf. Eine Badeaufsicht gab‘s in Walow nie, so der Ortschef.

Bundesgerichtshof verschärft Regeln

Nach einem Badeunfall 2010, bei dem ein Mädchen im Seil einer Boje hängen blieb, verklagten die Eltern die Gemeinde. Die Regeln für eine Badeaufsicht wurden durch das Urteil des Bundesgerichtshofes im Jahr 2017 verschärft. Für Walow bedeutet das, dass in der Sommersaison sieben Tage die Woche für mindestens acht Stunden täglich eine Badeaufsicht vorhanden sein muss. Ist sie das nicht, trägt die Gemeinde und letztlich der Bürgermeister die Haftung bei Unfällen. Die kommunale Haftpflichtversicherung, Kommunaler Schadensausgleich (KSA) mit Sitz in Berlin, springt dabei nicht ein.

Gerull und andere Bürgermeister wünschen sich vom Land Rechtssicherheit – und zugleich das Absprechen des Haftungsrisikos im Falle eines Unfalles. „Wir könnten uns eine Badeaufsicht wirtschaftlich einfach nicht leisten und würden nicht einmal das benötigte Personal bekommen“, so Gerull, der darüber empört ist, dass Schilder à la „Baden auf eigene Gefahr“ nicht mehr ausreichen, sich als Gemeinde der Haftung zu entziehen.

Badesteg sperren oder zurückbauen

Für diejenigen, die kein Risiko tragen möchten, zählt die KSA zwei Möglichkeiten auf: den Badesteg entweder sperren oder zurückbauen. Gerull schüttelt verständnislos den Kopf. „Wir haben den Steg erst vor zwei Jahren für rund 12 000 Euro neu gemacht“, wehrt sich Gerull gegen einen Rückbau. Nach seiner Auffassung dürfe die Haftung nicht auf dem Rücken der Gemeinden ausgetragen werden, fordert er.

Das Amt Röbel-Müritz verfügt in Röbel laut Stadtsprecher Karsten Thorun mit dem Strandbad über eine bewachte Badestelle und darüber hinaus über neun Stellen mit Stegen. Laut Thorun sei man der verschärften Rechtsprechung mit einem Schild nachgekommen. Auf diesem steht: „Das Springen vom Steg ist verboten. Der Amtsvorsteher“.

KSA-Pressesprecher Klaus Kocks hat für diese Version und auch die mit dem „Baden auf eigene Gefahr“-Schild eine eindeutige Antwort: „Eine Haftung kann man durch ein Schild nicht ausschließen“, so Kocks.

Waren engagiert Rettungsschwimmer

Das Heilbad Waren konnte sich in dieser Saison gerade noch an seinen drei Badestellen mit Rettungsschwimmern für die notwendige Aufsicht versorgen. In die Müritz können Badehungrige in Waren aber auch an der Klinik Amsee oder nahe des Hotels Müritzplais gehen – dort ist die Stadt und in Persona Bürgermeister Norbert Möller (SPD) aus der Verantwortung heraus – denn beide Stege befinden sich in privater Hand.

Idee aus Süddeutschland

Drei Badestege müsste prinzipiell auch die Stadt Neustrelitz zurückbauen, weil die trotz Aufsichtsgebot nicht durch einen Rettungsschwimmer gesichert sind. Etwa 50 000 Euro müsste Neustrelitz dafür jährlich in der Saison dafür berappen. Strelitz‘ Bürgermeister Andreas Grund (parteilos) baut daher auf eine Idee aus Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg. Dort wurde im Juni 2020 das Umrüsten eines vorhandenen Steges durch ein vollständiges Geländer in Gang gesetzt, sodass der Steg nicht mehr als Badesteg gilt. Zusätzlich wurden Verbotsschilder für das Hineinspringen und Unterschwimmen der Plattform angebracht. Der südliche Versicherer, die Württembergische Gemeinde-Versicherung, akzeptierte dieses Vorgehen.