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Brutaler Angriff an der Wohnungstür

Die Frau ging, der Schläger kam

Waren / Lesedauer: 4 min

Können Menschen zum gleichen Zeitpunkt an zwei verschiedenen Orten sein? Eigentlich nicht. Aber das Opfer einer Prügelattacke behauptet, seinen Peiniger erkannt zu haben. Der war aber zur Tatzeit immer in ihrer Mitte, behaupten die Freunde des Angeklagten.
Veröffentlicht:16.12.2014, 16:46
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Der 51-Jährige versteht die Welt nicht mehr. Bis heute begreift er nicht, warum ihn eines Tages im Frühjahr Knall auf Fall die Frau verlassen hat. Gerade als er seinem Lieblingshobby frönte: Heringsangeln an der Ostsee. Mehrfach soll sie in den Stunden, in denen er seine Köder im Salzwasser badete, sogar noch angerufen haben. Wie sehr sie sich auf die frischen Heringe freute und so. Doch als der Angler am Abend wieder an der Haustür anlangte, war die Wohnung halb leer und die Frau weg. Da stand er da mit dem Eimer toter Heringe.

Den Mann zum Angeln schicken und dessen Abwesenheit zum Verlassen nutzen, ist beileibe keine Straftat. Eine Sache für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht wird das erst später. Als der Ehemann - Rache muss sein - das Schloss an der Haustür wechselt, wohl aus Angst, die Frau könnte noch Sachen aus der Wohnung holen, trifft ihn der Schlag. Wortwörtlich. Ein Baseball-Schläger landet erst seitlich im Gesicht und dann auf dem Hinterkopf. Der Notarzt muss später eine Gehirnerschütterung konstatieren, dazu etliche Prellungen.

Geldstrafe kommt nicht in Frage

Geschlagen hat ihn, so die Anzeige, der Stiefsohn. Gemeinsam mit anderen sei der auch in die Wohnung eingedrungen und habe den Fernseher kurz und klein geschlagen. Warum der Stiefsohn das getan hat, der Mann weiß es nicht. Aber erkannt hat er ihn auf alle Fälle. "Zu 99,99 Prozent", sagt er Richter Michael Kasberg am Dienstag im Amtsgericht Waren.

Die Staatsanwaltschaft klagt den jungen Mann der gefährlichen Körperverletzung an. Kein Pappenstiel. Eine Geldstrafe sieht das Gesetz dafür nicht mehr vor, bei einem Schuldspruch wartet immer eine Freiheitsstrafe auf den Angeklagten. Allerdings - der Stiefsohn schwört Stein und Bein, an dem Abend überhaupt nicht in dem Dorf, wo der Stiefvater lebt, gewesen zu sein. Vielmehr habe er sich den ganzen Abend in Waren aufgehalten.

Zeugen haben Erinnerungslücken

Und das können viele bezeugen. Nämlich jene, die mit ihm gemeinsam erst ein abendliches Hallen-Fußballturnier besuchten, anschließend noch eine Kneipe in der Stadt mit ihrer Anwesenheit beehrten und schließlich zusammen mit ihm in sein Heimatdorf fuhren. Vier von denen marschieren als Zeugen auf und erzählen das, mehr oder weniger deutlich, dem Richter und der Staatsanwältin. Erinnerungslücken wischen die kräftigen jungen Männer mit dem Verweis auf ihre Trunkenheit zur Seite. Einer erzählt, dass er kaum noch laufen konnte.

Die Polizei, die seinerzeit den Mann kurz nach dem Überfall vernommen hatte, wartete an jenem Abend im Frühjahr schon auf den Stiefsohn vor dessen Wohnung. Der kam aber mit den Kumpels im Auto nicht aus Waren, sondern aus der entgegen gesetzten Richtung, sagt eine Polizistin aus. Aus genau der Richtung, aus der man kommen muss, wenn man gerade beim Stiefvater war. Aber auch dafür besitzen die Männer eine plausible Erklärung. Sie haben spät am Abend noch bei der heimischen Dorfkneipe vorbei geschaut, weil sie Bier-Nachschub brauchten. Aber leider war der Schankraum schon geschlossen.

Wer hat recht und wer lügt? Denn die Verletzungen kann sich der verlassene Mann nicht ausgedacht haben. Richter Kasberg weiß auch nicht so recht. Und unterbricht die Verhandlung. Die Polizei soll noch mehr Zeugen befragen, um zu klären, ob sich der Stiefsohn tatsächlich zur Tatzeit in Waren aufgehalten hat. Fortsetzung folgt.

Und die Heringe? Über die spricht an diesem Tag niemand mehr.