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Nach Zeitzeugenvorträgen

Malchow ringt mit Nazi-Veranstaltungen

Malchow / Lesedauer: 4 min

Entwickelt sich Malchow zum neuen Neonazi-Zentrum? Diese Sorge äußern etliche Malchower in einem Brief. Auch ein Stadtvertreter steht in der Kritik.
Veröffentlicht:24.07.2018, 05:55

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Eine Gruppe von Malchowern will nicht länger wegschauen. „Vor unser aller Augen hat sich Malchow in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg rechtsextremer Anstrengungen und Aktivitäten entwickelt“, heißt es in einem Brief, den Malchows Stadtvertreter jetzt bekommen haben. Unterzeichnet wurde er von über 50 Malchowern, Gästen und Freunden der Stadt.

Anlass sind mehrere Veranstaltungen in Malchow, die durch Neonazis organisiert wurden. Erst kürzlich hielt ein ehemaliger Untersturmführer der Waffen-SS vor etwa 90 Teilnehmern einen sogenannten Zeitzeugenvortrag. Beworben wurde die Veranstaltung auf der Facebookseite des Magazins „Ein Fähnlein“, das vom Bremer Neonazi Henrik Ostendorf herausgegeben wird. Ostendorf gilt als einflussreicher Aktivist der NPD.

Welche Rolle spielt der Stadtvertreter?

Der Ort wurde geheim gehalten. Allerdings gab es Hinweise, dass die Treffen im Clubhaus des Freizeitvereins B2 neben der Tankstelle stattfanden. Das hat nun auch der Malchower Stadtvertreter Matthias Kettner (CDU) auf Nordkurier-Nachfrage bestätigt. Kettner gehört zum Verein, der nun in der Kritik steht.

Am vergangenen Samstag soll erneut im Clubhaus des Vereins ein Zeitzeugenvortrag vor einem Publikum aus Neo-Nazis stattgefunden haben. Der reiht sich in eine Liste von Veranstaltungen ein, angefangen am 1. Juli 2017 mit einer Schulungsveranstaltung mit 80 Teilnehmern, Zeitzeugenvorträgen am 5. August und am 11. November 2017 mit je 100 Teilnehmern.

In Malchow sorgt das für Unruhe. Und es wirft Fragen auf. Die Verfasser des Briefs haben die Stadtvertreter aufgefordert, die Rolle des Vereins in der Organisation und Unterstützung rechtsextremer Aktivitäten in Malchow zu klären und insbesondere auch die Rolle des Stadtvertreters Matthias Kettner.

Möglicherweise nicht genau hingeschaut

„Dass wir die Räume zur Verfügung gestellt haben, war ein Fehler und es wird nicht wieder vorkommen“, sagt Kettner. Der Christdemokrat distanziert sich ausdrücklich von der Neonazi-Szene, räumt aber auch ein, möglicherweise nicht genau hingeschaut zu haben, an wen er die Räume vermietet hat. „Ich habe nicht an den Vorträgen teilgenommen, aber ab und zu reingeschaut. Es gab keine verbotenen Fahnen oder NS-Reliquien. Das hätte ich nicht erlaubt“, sagt er. Schwer wäre es allerdings nicht gewesen, festzustellen, dass die Vorträge im Kontext einer Geschichtsverfälschung zu sehen sind, wo es von NS-Verherrlichung bis hin zur Leugnung des Holocaust geht.

Ist Malchow nur der Ort, wo sich Neonazis treffen, weil es dicht an der Autobahn liegt? Oder haben sich Neonazis wie Henrik Ostendorf die Stadt ausgesucht, weil das rechtsextreme Gedankengut hier auf fruchtbaren Boden fällt? Das wird in Malchow unterschiedlich bewertet. „Eine wachsende rechtsextreme Szene erzeugt ein Klima aus Angst, Gewalt und Einschüchterung, das nicht nur Gäste fernhält, sondern auch die Lebensqualität vieler Bewohner unserer Stadt nachhaltig beeinträchtigt“, heißt es im Brief an die Stadtvertreter.

Bürgermeister sieht Malchow nicht als Nazi-Zentrum

Bürgermeister René Putzar (parteilos) ist wenig begeistert von dem Schreiben und dem Bild, das die Verfasser von der Inselstadt zeichnen. Denn nach Putzars Einschätzung ist Malchow kein Zentrum der Neonazi-Szene und soll es auch nicht werden. Man müsse nun in Ruhe Gespräche mit dem Verein führen, sagt er.

Auch bei der CDU versucht man, die Wogen zu glätten. Am 30. Juli trifft sich die Fraktion wieder regulär, wie der Vorsitzende André Zimmermann informiert. „Wir werden dieses Thema auch mit unseren Fraktionsmitgliedern ausführlich und kritisch besprechen“, kündigt er an. Die Vermietung der Vereinsräume an solche Gruppierungen sei selbstverständlich nicht zu tolerieren. „Wir wollen auch nicht, dass diese Leute unsere Stadt für ihre Ansichten instrumentalisieren“, sagt der Stadtvertreter.

„Wir müssen überlegt damit umgehen. Aber es wird Reaktionen geben“, sagt auch Stadtpräsidentin Elke-Annette Schmidt (Die Linke). Dass die Bürger sich zivilgesellschaftlich engagieren und eine Stellungnahme der Stadt abverlangen, schätze sie sehr und möchte dies auch unterstützen. Allerdings müsse man sich auf eine Vorgehensweise verständigen. „Es scheint sich was zu verfestigen. Aber die Stadt hat es nicht verdient, als Hochburg der Neonazis da zu stehen“, sagt Schmidt. Sie wünscht sich, dass die Stadtvertretung eine Stellungnahme abgibt, in der klar zum Ausdruck kommt, dass man Veranstaltungen wie die Zeitzeugenvorträge in Malchow nicht haben möchte.