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Abschiebung

Müritzer setzen sich für syrischen Frisör ein

Waren / Lesedauer: 4 min

Vor fast zehn Jahren verließ Sami Al Awad sein von Unruhen geplagtes Heimatland Syrien und kam nach Deutschland. Hier hat er Arbeit und Sicherheit, soll nun aber abgeschoben werden.
Veröffentlicht:13.02.2021, 16:36

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Sami Al Awad hat nach den Unruhen und dem Bürgerkrieg in seiner einstigen Heimat Syrien eine neue gefunden: Deutschland, oder besser gesagt, die Stadt Waren. Hier hat der 47-Jährige einen Vollzeit-Job und ein festes, stabiles Umfeld. Doch nun soll der gebürtige Syrer nach Griechenland abgeschoben werden. Arbeitskollegen, Freunde und viele andere Warener wollen das verhindern. Seit Freitag läuft eine Petition unter dem Titel „Sami soll bleiben”, die binnen eines Tages bereits über 500 Unterschriften sammelte.

Seit fast zwei Jahren als Frisör tätig

Die bewegende Geschichte des Mannes beginnt im Jahre 2011. Wiederkehrende Unruhen in seinem Heimatland Syrien veranlassten ihn dazu, sein Land zu verlassen. Eine Flucht mit Verletzungen, die ihm heute immer noch arge Schmerzen bereiten. Vier Monate lang hielt er sich in der Türkei auf, bis er schließlich im Dezember 2011 im Flüchtlingslager in Griechenland ankam. Als Sami Al Awad auf Einladung seines in Waren wohnenden Bruders 2018 in die Region kam, eröffneten sich im Heilbad tragfähige Perspektiven für ihn. Zum Beispiel bei Manuela Venz vom Frisörsalon „Kommhair”. Seit April 2019 arbeitet der gelernte Friseur bei ihr im Geschäft.

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Al Awad kam 2018 zunächst in Glasewitz bei Güstrow unter. Eine seitenweise Korrespondenz mit den Landkreisen Rostock und der Mecklenburgischen Seenplatte sowie mit Gerichten hat sich seit dieser Zeit angesammelt. Denn der Fall des Syrers ohne Aufenthaltsgenehmigung ist komplex und landete zuletzt vor dem Oberverwaltungsgericht Schwerin. Dort entschieden Richter, sein Ansinnen auf ein Leben in Deutschland abzulehnen. Zumindest vorerst.

Unwissenheit sorgte für den entscheidenden Fehler

Verantwortlich dafür sei ein Fehler, der sich der Syrer in Unwissenheit erlaubt hat, den er zugibt und auch bereut: Er fuhr einfach nach Deutschland zu seinem Bruder und blieb dort. In MV angekommen, nutzte er seine Chance. Ihm wurde vom Landkreis Rostock ein Umzug aus dem Flüchtlingsheim nach Waren in eine eigene Wohnung gestattet. Voraussetzung: eine unbefristete Arbeitsstelle. Die Behörden erteilten ihm dafür ebenfalls die Erwerbsgenehmigung, er durfte also von Rechts wegen eine Arbeit antreten.

Manuela Venz könnte Luftsprünge über den Neuzugang machen. „Er ist zuverlässig, arbeitet trotz seiner Schmerzen, die von Verletzungen aus Syrien herrühren und ist unverzichtbar für mich als Fachkraft”, sagte die Geschäftsinhaberin dem Nordkurier.

Keinen einzigen Cent aus den Sozialkassen

Dass Sami nun für seinen Fehler bestraft und in ein griechisches Flüchtlingslager abgeschoben werden soll, kann sie nicht verstehen. Der Syrer habe die Sozialkassen seit seinem Aufenthalt in MV keinen einzigen Cent gekostet. Al Awad bestreitete seinen Lebensunterhalt selbst. Er arbeitete 40 Stunden, zahlte seine Miete und anderen Ausgaben und auch die Gerichtskosten selbst. Und soll nun in ein Lager in einem Land, das für katastrophale Zustände in diesen Einrichtungen bekannt ist.

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Von den Behördenmitarbeitern bekommen sowohl der Syrer als auch sein hilfsbereites Umfeld Verständnis. Doch an den Tatsachen sei formal nichts zu ändern. Er müsse nach Griechenland zurück. Von dort könne Sami einen Antrag stellen, wieder nach Deutschland einreisen zu dürfen. Venz versteht dieses formale Prozedere wenig und wünscht sich eine pragmatische Lösung: Warum kann der Verwaltungsakt nicht von Deutschland heraus erledigt werden, fragte sie. Die Ladeninhaberin und viele andere hoffen, dass mit der abgewiesenen Berufung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Denn gerade erst Ende Januar entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass Asylanträge von in Griechenland anerkannten Geflüchteten – das ist Sami Al Awad – nicht abgelehnt werden dürfen, da ihnen „extreme materielle Not” drohe.

Kein Recht auf Arbeit mehr

Während die Lage Al Awads einen Zustand der maximalen Unsicherheit erreicht, wird der Mann durch den Entzug seiner Erwerbsgenehmigung auch in eine finanzielle Not gestürzt. Das Problem: Das Arbeiten im Salon von Venz ist ihm verboten. Würde er kündigen, bekäme er keine (Sozial-)Leistungen. „Wir wollen Sami aber nicht kündigen. Wir sind auch auf ihn angewiesen”, betont die Warenerin. Obwohl das Friseurgeschäft aufgrund des zweiten Lockdowns wirtschaftlich angeschlagen sei, wolle man Al Awad nicht durch die Kündigung den letzten Lebensmut rauben. „Wir stehen zu ihm”, formuliert Manuela Venz mit melancholischem Gesichtsausdruck. Auch wenn er nicht zu Kamm und Schere greifen darf, Sami selbst formulierte seine einzigen Wunsch in gebrochenem Deutsch: „Ich möchte hier bleiben”, sagte er und hofft auf die Integrationsbeauftragte des Landes und eine Chance in seiner Wahlheimat.

Solidarität erfährt der Syrer unter anderem von der Linken in der Seenplatte. Kreisvorsitzender Tobias Hecht fordert ein Bleiberecht für Sami Al Awad.