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Behindertes Kind sucht Sportverein

Pia will so gerne tanzen – und sucht noch einen Verein

Waren / Lesedauer: 4 min

Ein achtjähriges Mädchen aus Waren möchte gern tanzen – in einem Verein. Dass umzusetzen, gestaltet sich für die Mutter schwierig.
Veröffentlicht:22.08.2019, 21:44

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Die Augen Freude strahlend, der Blick hellwach. Pia-Anasthasia schwenkt die Arme in die Luft, streckt und dreht sich. Auf den ersten Blick wirkt das achtjährige Mädchen wie ein Energiebündel. Diese Situation halte aber nicht allzu lange an, weiß ihre Mutter Veronika Neumann. Denn nach einiger Zeit würden die Beine des Mädchens schwer. Regelrecht steif, beschreibt die Warenerin. Damit sich Pias Kondition verbessert, machen Mutter und Tochter täglich eine Stunde Sportübungen.

Auch an jenem Nachmittag, als der Nordkurier bei beiden vorbeischaut, liegt im Gras eine blaue Yoga-Matte. Darauf absolviert sie Dehnübungen zum Aufbau ihrer Muskeln. Dabei redet Pia beinahe ununterbrochen von ihrem sehnlichsten Wunsch: dem, zu tanzen. Nicht allein oder ausschließlich mit Mama, sondern in einem Verein. In einer Tanzgruppe mit Gleichgesinnten und insbesondere Altersgenossen könnte sie ihre eigenen Fähigkeiten bestimmt gut entwickeln, meint Neumann. Was man dem Mädchen auf den ersten Blick nicht ansieht, ist ihre Behinderung. Pia ist entwicklungsverzögert. Der Grad der Beeinträchtigung liegt bei 50 Prozent, verweist Pias entsprechender Behindertenausweis. Die Achtjährige befinde sich laut Mutter geistig auf dem Stand einer Vierjährigen. In der Sietower Schule zur individuellen Lebensbewältigung lernt sie die Grundlagen, die sie im Leben braucht.

Neumann ist jedoch davon überzeugt, dass ihr Kind von gelebter Inklusion in Vereinen profitieren könnte. Auf Nachfragen bei Tanzgruppen und Karnevalsvereinen hagelte es jedoch Absagen, erklärt die Mutter. Die Behinderung ihrer Tochter sei als Begründung für die Ablehnung angeführt worden.

Maria Jendrasik vom Carneval Club Waren (CCW) kann das nur bedingt verstehen. Seit sechs Jahren trainiert sie im Verein die Nachwuchsnarren im Alter zwischen drei und sechs Jahren. „Leichte Tänze studiere ich mit den Kindern ein”, erzählt die ehrenamtliche Kinderwartin. Auch Pia würde sie sich gern anschauen. Schauen, ob sie die Tanzansagen koordinativ umsetzen kann. Als Verein Inklusion zu betreiben, sei schon längst gang und gebe in Waren. So gehörte auch ein Kind mit Down-Syndrom (Trisomie 21) zur prachtvollen Kinder-Garde. Sind die individuellen Fähigkeiten auch nicht überaus gut ausgeprägt, so können Kinder schon kleine Dinge glücklich machen, spricht Jendrasik aus Erfahrung. Etwa der Ein- und Ausmarsch zu Festveranstaltungen in Karnevalsrobe.

Dass beeinträchtigte Kinder abgestempelt werden, lässt auch Hanni Rossek nicht gelten. Oftmals fehlt es nicht an Betätigungs-, sondern aufklärenden Beratungsangeboten, meint die Vorsitzende des Warener Behindertenverbandes. Wer weiß schon, fragt Rossek, dass es jeden Dienstag in Waren ab 16 Uhr in der Turnhalle am Warener Kirschenweg Sportmöglichkeiten für geistig Behinderte gibt? Rossek hat selbst als Mutter im Rollstuhl sitzender Kinder die Erfahrung gemacht, die Neumann zum Teil beschreibt. Etwa in der Musikschule. Ihre Tochter, der die Fähigkeiten, im Instrumentenunterricht mitzukommen, einst zum Teil richtiggehend abgesprochen worden sind, belehrte ihre Musiklehrer eines besseren. Und während Hanni Rosseks Arbeit sind ihr hier und da Beispiele in Erinnerung geblieben, bei denen beeinträchtigte Kinder über sich selbst hinausgewachsen sind – mit Unterstützung der Eltern. So hat eine Mutter sich dafür eingesetzt, dass ihn am Downsyndrom leidender Sohn Akrobatikunterricht erhält.

In den Vereinen Schuldige zu suchen, die nicht gewillt sind, beeinträchtigte Kinder in eine ohnehin kinderreiche Tanzgruppe etc. aufzunehmen, wäre sicherlich der falsche Weg. Jörg Geistlinger, der Vorsitzende des Rechliner Müritztanzvereins, unterrichtet den Nachwuchs selbst. Mit einem Trainer allein bestünde immer die Gefahr, dass Kinder, die mehr Betreuung benötigen, hinten herunter fallen. Auch so könnte aus dem gut gemeinten Inklusionsvorhaben, ungewollte Ausgrenzung entstehen. „In erster Linie geht es um Spaß, dass das Kind beim Bewegen hat”, relativiert Geistlinger. Doch er gibt auch zu, dass es mit vier Trainern – zwei davon beschäftigen sich mit den Jüngsten und Jugendlichen – schwierig sei, besonders intensive Einzelbetreuung zu leisten. Zum Training beeiträchtigter Kinder fehle außerdem eine Spezialausbildung. Und das in Zeiten, in denen die Suche nach ehrenamtlichen Trainern ohnehin kein Zuckerschlecken ist. „Die Kleine kann aber gern bei uns vorbeikommen”, macht der Vereinsvorsitzende ebenfalls Hoffnung. Über Nachrichten wie diese freut sich Pia. Denn der zweitgrößte Wunsch ist, durch einen festen Verein zudem Freunde zu finden.