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Gleitschirmsprung

Schirm in die Luft und den Daumen in den Wind

Vielist / Lesedauer: 3 min

Grenzenlose Freiheit - aber bei den Wolken ist Schluss. Doch altersmäßig gibt es bei den Gleitschirmfliegern in Vielist keine Begrenzung nach oben. Bestes Beispiel ist der 82-jährige Joachim Dietze. Der läuft sogar noch 40 Stundenkilometer schnell.
Veröffentlicht:16.08.2013, 17:13
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Vielist. Runtergekommen ist noch jeder. „Nach oben auch“, behauptet Ekkehard Zamel, Ausbilder bei den Gleitschirmfliegern in Vielist. Selbst hier auf dem platten Land. Und wo es eben an Bergen und Abhängen mangelt, haben sich findige Leute die Winde ersonnen. Dort hat Sebastian Dollinger den Hut auf. Der Mann aus Bayern, wie Zamel angestellt bei der Norddeutschen Gleitschirmschule auf den Flugplatz, bedient den Motor. Der 50 PS starke Motor, der einst einen Käfer antrieb, sorgt für die richtige Geschwindigkeit, die sich Gleitschirmflieger im Gebirge an Berg und Hang holen.

Zamel, ein paar Hundert Meter weiter am anderen Ende des Platzes, kontrolliert die Vorbereitungen der Flugwilligen. Neben ihm steht Joachim Dietze, der kleine Schwierigkeiten mit dem Geschirr hat. Zamel hilft, alles richtig zu verknoten. Dann meldet er über Funk dem Winden-Mann die Startbereitschaft. Das Zugseil strafft sich und Dietze beginnt zu rennen, mit großen Schritten. Hinter ihm der Gleitschirm bläst sich auf und schon schwebt Dietze dem Himmel entgegen. „Man muss schon laufen“, erklärt Fluglehrer Zamel, „aber weil der Schirm gleich nach oben gehoben wird, fällt das sehr leicht.“ Wie auf dem Mond, vergleicht der Ausbilder die Schritte beim Start mit der Schwerelosigkeit. Fast mühelos käme man auf 40 Kilometer in der Stunde und hebe ab. Ruckzuck entschwindet Joachim Dietze. „Etwa bei 300 Meter Flughöhe kappt der Flieger das Zugseil“, erklärt der Starter. Dann sei es Sache des Piloten, die Thermik über der Erde zu nutzen. „Der Platzrekord hier in Vielist liegt bei 130 Kilometern“, sagt Zamel. Gut und gerne fünf Stunden sei man dann unterwegs. Wo es wieder runtergehe, wisse vorher niemand. Dann heißt es, mit Bus oder Bahn zurück. „Oder man hält den Daumen in den Wind und trampt“, hat auch Eckehard Zamel, dessen persönlicher Rekord bei 150 Kilometern liegt, seine Erfahrungen.

Mehr als fünf oder sechs Stunden in der Luft? Und wenn die Blase drückt? Es gebe Hilfsmittel, drücken sich die Piloten vor eindeutigen Antworten. Andersrum sei aber genauso wichtig. „Durch den Fahrtwind dehydriert man schneller, zu trinken ist oben ganz wichtig.“

Jetzt landet Joachim Dietze wieder sicher auf der Erde, der musste nicht trinken. Aber der Stralsunder lässt das alles ohnehin ruhiger angehen, schließlich zählt der schon 82 Jahre und nennt sich seit zweieinhalb Jahren nach bestandener Prüfung Gleitschirmflieger. In dem Alter noch ganz nach oben? Dietze schüttelt mit dem Kopf. Oben sei er schon immer gewesen, früher als Hobby-Motorflieger oder als Pilot in Ultraleicht-Flugzeugen. Dann habe er aber dem Alter Tribut zollen müssen und hat geglaubt, nie im Leben mehr dem Himmel wieder ganz nah zu sein. Bis er die Gleitschirmflieger entdeckt hat. „Das war genau das Richtige für mich.“

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