StartseiteRegionalMüritz▶ Töpfereien freuen sich auf Besucher nach Corona-Lockdown

Tag der offenen Töpferei

▶ Töpfereien freuen sich auf Besucher nach Corona-Lockdown

Alt Gaarz / Lesedauer: 5 min

Zum Tag der offenen Töpferei erwarten auch Markus und Ute Böhm wieder Besucher in ihrer Werkstattgalerie. Selbst ein fränkischer Sterne-Koch schwört auf Handgemachtes aus Alt Gaarz.
Veröffentlicht:11.03.2021, 17:30

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Noch vor wenigen Tagen hätten Ute und Markus Böhm kaum für möglich gehalten, dass es in diesem Jahr einen Tag der offenen Töpferei geben könnte – jenes traditionelle Mitte-März-Wochenende, an dem Keramikwerkstätten zum Schauen, Anfassen und natürlich Kaufen einladen. Für ganz Mecklenburg-Vorpommern verzeichnete da die Teilnehmerkarte knapp 100 Mitwirkende – deren Zuversicht ordentlich Nahrung erhielt, als zu Wochenbeginn in der Mecklenburgischen Seenplatte die Geschäfte wieder öffnen durften.

„Einen Juchzer“ habe sie losgelassen über diesen Schritt hinaus aus dem Lockdown, erzählt Ute Böhm, die mit ihrem Mann Markus Böhm in Alt Gaarz am südöstlichen Rand der Seenplatte die Marke „Müritzkeramik“ mit Leben erfüllt. Von Stillstand konnte auf dem ehemaligen Pfarrgehöft aber keine Rede sein: Auch wenn von den 15, 16 Töpfermärkten, an denen die Böhms sonst übers Jahr teilnehmen, im Corona-Jahr 2020 nur ganze zwei stattfanden, hatten beide mit Arbeiten an Haus und Grundstück, mit der Fertigstellung bestellter Waren und mit der Vorproduktion für die neue Saison gut zu tun.

Online-Anteil ist klein, aber wichtig

Die sonst oft inflationäre Formel, „breit aufgestellt“ zu sein, hat hier festen Boden. Damit laufe man vielleicht „in guten Zeiten Gefahr, sich zu verzetteln“, sagt Markus Böhm, „aber in schlechten hält es einen über Wasser.“ Geschirr, Pflanzkeramik, dekorative Gefäße aus Alt Gaarz werden nicht nur auf Märkten angeboten, sondern auch in der hauseigenen Werkstattgalerie sowie über die eigene Internetseite. Der Online-Anteil von zwei bis fünf Prozent am Gesamtumsatz mag nicht fulminant erscheinen, trägt aber dazu bei, dass etwa in Lockdown-Zeiten das Ersparte nicht ganz so schnell aufgebraucht werden muss.

Auch Sake-Becher und Espresso-Tassen

Zudem wurde auf diese Weise ein zugkräftiger Kunde auf die Müritzkeramik aufmerksam: Auf der Suche nach Sakebechern für sein Sterne-Restaurant „Sosein“ in Heroldsberg bei Nürnberg entdeckte dessen Küchenchef Felix Schneider vor fünf Jahren das Gesuchte bei Markus Böhm. Später orderte er auch Teller, wünschte sich Espresso- und Cappuccino-Tassen, gab andere ungewöhnliche Formen in Auftrag.

Dass gerade in der Gourmet-Gastronomie zunehmend handgemachte Keramik gegenüber industriell gefertigtem Porzellan an Rang gewinnt, hat für Markus Böhm auch mit vergleichbarem Anspruch zu tun: So wie Spitzenkoch Schneider auf gute, regionale Produkte und deren adäquate Verarbeitung setze, kümmert sich der Keramikermeister um Rohstoffe, bereitet selbst Ton auf zu einem Material, das auch Kollegen gern bei ihm einkaufen, setzt auf den Charakter des Handgefertigten: „Kunsthandwerker machen, was die Industrie nicht kann.“

„Keramik muss man anfassen“

Ungeachtet dessen gilt: „Keramik muss man anfassen“, weiß der Töpfermeister. Das bestätigen auch die Erfahrungen des vergangenen Sommers, als noch mehr Touristen als sonst die Seenplatte bevölkerten und auch die Werkstattgalerie in Alt Gaarz entdeckten. Von wie vielen Keramikern da Produkte zu sehen seien, wurden die Gastgeber oft gefragt und erlebten blankes Staunen, dass diese Vielfalt nur von ihnen beiden stamme.

In einer gemeinsamen Werkstatt mit „getrennten Regierungsbereichen“ entstehen Produkte mit unterschiedlicher Handschrift – und in kollegial-kritischem Austausch: „Wenn einer etwas Neues probiert, ist das wichtigste Kriterium, was der andere davon hält“, erzählt Ute Böhm, die in ihrer sächsischen Heimat zunächst die Werkstatt ihres Großvaters übernommen hatte, bevor sie nach Mecklenburg zog, und zum Beispiel Gefäße mit faszinierenden Kristallglasuren kreiert.

Ob ihrem Mann wiederum beim Geschirr Gutes gelingt, „merke ich daran, dass meine Frau es in unserer Küche haben will“, verrät Markus Böhm. Er bekennt sich auch als Verfechter des traditionellen Holzbrands, der sehr natürliche, urige Oberflächen hervor bringt. Böhm baut sogar Holzbrandöfen, zuletzt für die University of Manitoba in Kanada. Für einen weiteren Auftrag steht noch im Raum, was unter Corona-Bedingungen daraus wird.

Nach-Wende-Zeit war schwerer als Corona

Dem großen Schaffensspektrum jedenfalls verdankt die Müritzkeramik, dass der Corona-Lockdown nicht existenzbedrohlich wurde. Zeiten, zu denen der Lebensunterhalt auf der Kippe stand, erlebte Böhm vor allem nach der Wende. Die brachte für den Mecklenburger, der sich 1988 mit der Werkstatt seines Vaters selbstständig gemacht hatte, alle vorherigen Vertriebsstrukturen zum Einsturz. Und im Westen, wo es nun neues Publikum zu erobern galt, hatte Kunsthandwerk einen geringeren Stellenwert.

Harte Zeiten überstanden zu haben, dankt der Töpfermeister auch umfassendem Wissen und Dazu-Lernen. „Im Gegensatz zum Osten kann man alles kaufen, was man braucht“, sagt er, „aber wer kreativ sein will, muss ein gewisses Huckepack an technischen Grundlagen mitbringen.“ Immerhin habe die Töpferei gegenüber anderen Metiers – wie etwa in der IT-Branche – den Vorzug, „dass sich Wissen und Erfahrung nicht entwerten“.

Für die neue Saison rechnen die Böhms, so lange noch keine Touristen ins Land reisen dürfen, mit etwa einem Viertel der gewohnten Besucherzahlen. Zum Tag der offenen Töpferei sind die teilnehmenden Werkstätten am Sonnabend und Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet – mit Maskenpflicht und Abstandsgebot.