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Politische Streitkultur

Verbale Entgleisung in der Warener Stadtvertretung

Waren / Lesedauer: 3 min

Der Warener Stadtvertreter Rainer Espig machte eine Bemerkung, die für Empörung sorgte und mit einer Ermahnung beantwortet wurde. Ein verbaler Ausrutscher?
Veröffentlicht:26.02.2021, 21:40

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Hat er das gerade wirklich gesagt? Toralf Schnur musste sich nach einer Verbalattacke, die von zwei Reihen hinter ihm kam, erst mal sortieren. Der ehemalige Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der FDP/MUG-Fraktion teilt in der Kommunalpolitik verbal bekanntlich auch gern aus. Doch was er da bei der jüngsten Warener Stadtvertretersitzung einstecken musste, gehörte zur untersten Schublade.

Im Rahmen einer ernsthaften Debatte über Änderungen des Gesellschaftervertrags der Wogewa machte Schnur die flapsige Bemerkung, dass er gut damit leben könne, wenn seine Anträge keine Mehrheit bekämen und er sich deshalb „nicht vor den Zug schmeißen werde“. „Schade“, hieß es daraufhin laut von Rainer Espig (Die Linke), was zu Gelächter führte, bis einigen Stadtvertretern das Lachen im Halse stecken blieb, als sie merkten, was da eigentlich gerade gesagt wurde und wie. Peinliche Stille und ein schweigender Präsident der Stadtvertretung.

„Wie viele Unverschämtheiten und Angriffe auf meine Person muss man sich hier eigentlich noch gefallen lassen“, beschwerte sich Toralf Schnur und verlangte eine Entschuldigung. Erst dann sprach Rüdiger Prehn (Die Linke) eine Verwarnung gegen seinen Fraktionskollegen aus. Wenig später entschuldigte sich Espig für seine Äußerung. Warens Bürgermeister Norbert Möller (SPD) ließ den Vorfall unkommentiert.

Immer wieder auch persönliche Attacken

Nur ein blöder Ausrutscher von Espig, der seit vielen Jahren Mitglied der Stadtvertretung ist, den Umweltausschuss leitete, zweiter Stellvertreter des Präsidenten der Stadtvertretung war und aktuell den Stadtentwicklungsausschuss leitet? Oder ein Signal für die zunehmende Verrohung der politischen Streitkultur? Immerhin sagte ein gewählter Vertreter im Rahmen einer öffentlichen Sitzung mit Publikum seinem politischen Mitbewerber, dass er sich über dessen Selbstmord freuen würde.

Die Debatten in der Warener Kommunalpolitik werden oft leidenschaftlich geführt, doch immer wieder kommt es auch zu persönlichen Attacken aus verschiedenen Lagern. So wurde wiederum Toralf Schnur im vergangenen August bei einer Diskussion über die Einführung von Tempo 30 auf der innerörtlichen Bundesstraße vom SPD-Stadtvertreter Volker Seemann als „abgebrochener Rechtsanwalt“ bezeichnet, eine Anspielung darauf, dass Schnur sein Jura-Studium nicht beendet hat. Im Umweltausschuss wurde der AfD-Abgeordnete Wolfgang Dreier zur Zielscheibe, als er sich den Kommentar „Bleib ruhig, Brauner“ vom CDU-Stadtvertreter Sebastian Paetsch anhören musste.

Politisches Streiten gehört zur Demokratie

In der letzten Stadtvertretung vor Weihnachten sorgte Präsident Rüdiger Prehn selbst für einen denkwürdigen Auftritt, als er Toralf Schnur und dem Nordkurier unterstellte, man wolle ihn und das Amt durch die Verwendung der Formulierung „amtierender Präsident“ diskreditieren. Zudem behauptete Prehn, dass die Fraktion FDP/MUG eine Kampagne gegen das Amt des Präsidenten der Stadtvertretung und gegen seine Person führe. Um seinen Mobbing-Vorwurf zu untermauern, las Prehn Passagen aus zum Teil vertraulichen E-Mails vor, die er von Toralf Schnur bekommen hatte und die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Politisches Streiten gehöre zur Demokratie und sei häufig mit Emotionen und Leidenschaft verbunden, sagt Kathrin Nepperschmidt, Leiterin des Regionalzentrums für demokratische Kultur Mecklenburgische Seenplatte. Ohne die Fähigkeit, sich inhaltlich auseinanderzusetzen und gemeinsam Kompromisse und Lösungen zu finden, sei eine Demokratie nicht denkbar. „Wir als demokratische Gesellschaft müssen aber unterschiedliche Meinungen und auch Widersprüche aushalten. Persönliche Anfeindungen sind innerhalb politischer Diskussionen kontraproduktiv und beenden Auseinandersetzungen in der Sacharbeit. Grundsätzlich verlässt man dann die Grundlage dafür, konstruktiv miteinander zu arbeiten“, mahnt Kathrin Nepperschmidt. Das Regionalzentrum für demokratische Kultur trete darum für eine wertschätzende Streitkultur und ein respektvolles Miteinander ein.