StartseiteRegionalNeubrandenburgAngeklagter laut Gutachter voll schuldfähig

Mordfall in Siedenbollentin

Angeklagter laut Gutachter voll schuldfähig

Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

Gibt es aus psychiatrischer Sicht Gründe für eine verminderte Schuldfähigkeit des im Siedenbollentiner Mordprozess Angeklagten? Ein Fachmann findet dafür keine Anhaltspunkte. Das gefällt dem Rechtsanwalt ganz und gar nicht.
Veröffentlicht:27.11.2017, 20:28

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Drei Mal hat Detlef Schläfke (66) den angeklagten 48-jährigen Siedenbollentiner in der Untersuchungshaft besucht – und bei allen drei Gelegenheiten ausführlich mit dem Mann gesprochen. Am Montag präsentierte der Neurologe und Psychiater sein mit Spannung erwartetes psychiatrisches Gutachten. Gibt es, so die entscheidende Frage, aus medizinischer Sicht Gründe, die für eine verminderte Schuldfähigkeit des Mannes sprechen? Der bis zu seiner Festnahme selbstständige Spediteur aus Siedenbollentin wird des Mordes an einer jungen Frau aus dem Dorf angeklagt. In der Nacht vom 6. zum 7. Mai, so die Anklage, soll der die junge Frau erwürgt haben, um eine versuchte Vergewaltigung der 29-Jährigen zu vertuschen.

Auf Anraten des Anwalts keine Fragen beantwortet

Warum und in welchem Zustand der Mann auf der Anklagebank getötet hat – darauf allerdings kann auch Professor Schläfke keine Antwort geben. „Er hat mit mir weder über die Zeit vor der Tat, die Tat selbst oder sein Verhalten nach der Tat geredet“, so Schläfke am Montag vor Gericht. Auf Anraten seines Anwalts wohl habe er auch keine der Fragen dazu beantwortet.

Ob der Rat des Verteidigers ein kluger war, darf bezweifelt werden. Denn so war der Psychiater nicht in der Lage, über mögliche Impuls- oder Affekthandlungen zu urteilen, denen der Angeklagte während der Tat möglicherweise unterworfen war. Auch die immer wieder von der Verteidigung beschworenen Erinnerungslücken könne er nicht beurteilen, ließ der Experte wissen: „Er hat ja mit mir darüber nicht geredet.“

Möglicherweise fällt bald das Urteil

Allerdings – gegen eine schwere affektive Erschütterung spreche unter anderem das „lang gezogene Tatnachverhalten“, so der Professor. Der 48-jährige hat, so die Anklage, die junge Frau nach deren Tod die Treppen herunter getragen, auf seinem Fahrrad zu seinem Anwesen transportiert, die Leiche dort auf seinen Pickup geladen und sie weggefahren und am Fundort auch noch entkleidet. Deshalb, schlussfolgert Schläfke, könne auch der Grad der Alkoholisierung nicht bewusstseinstrübend gewesen sein.

Das Gutachten schmeckt dem Verteidiger nicht. Ob es nicht doch Erinnerungslücken geben könnte? Schläfke lässt sich darauf nicht ein und glaubt nicht daran. Vielleicht bei starker Erregung für eine kurze Zeit, dies allerdings würde er als Verdrängung bezeichnen. „In der Regel kommen Erinnerungen aber wieder, die sind nicht weg.“

Am Dienstag sollen Staatsanwalt, Verteidiger und die Nebenkläger ihre Schlussvorträge halten. Je nach der Länge der Plädoyers, so ließ der Vorsitzende Richter Jochen Unterlöhner offen, könne vielleicht am gleichen Tag das Urteil gesprochen werden.