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DDR-Vergangenheit

Besonders viel sexueller Missbrauch in MV

Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

Die katholische Kirche geht Hinweisen auf Fälle von sexuellem Missbrauch in Mecklenburg-Vorpommern nach. Dort gab es offenbar besonders viele Fälle, ein Schwerpunkt war Neubrandenburg. Woran lag das?
Veröffentlicht:04.11.2019, 20:54

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Jahrelang ist Andreas T. auf eine Wand aus Schweigen gestoßen, als er Funktionsträgern der katholischen Kirche in Mecklenburg vom Missbrauch berichtete, der ihm widerfahren war. Ende der 60er und in den 70er Jahren ist der heute 67-Jährige als Jugendlicher durch einen Priester in Rostock und Wismar immer wieder missbraucht worden. Letztlich sei er vom damaligen Bischof als Schuldiger dargestellt worden, schilderte Andreas T. Er selbst wollte eigentlich Pfarrer werden, brach dann aber aus Verzweiflung sein Theologiestudium ab.

Sehr emotional hat der Mann, der heute bei Hamburg lebt, am Montagabend in Neubrandenburg zum Start der Aufarbeitung des Missbrauchs in der katholischen Kirche in Mecklenburg über seine Erfahrungen berichtet. Innerhalb von zwei Jahren will der Beirat, den das Bistum Hamburg eingesetzt hat, seine Arbeit abschließen und über die Ergebnisse berichten, sagte Martin Colberg, Vorsitzender des Beirats und Diözesanarchivar in Hamburg. Beauftragt mit der wissenschaftlichen Untersuchung wurde ein Forschungskonsortium der Universität Ulm unter der Leitung von Manuela Dudeck, Professorin für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie.

Missbrauch während der DDR-Zeit

Dass das Bistum Hamburg eine gesonderte Untersuchung für Mecklenburg in Auftrag gibt, liegt an den im Vergleich zu Schleswig-Holstein verhältnismäßig hohen Zahlen von betroffenen Gläubigen, die während der DDR-Zeit in den katholischen Gemeinden unter Missbrauch litten. So sind in Mecklenburg für den Zeitraum zwischen 1945 bis 2015 insgesamt 17 übergriffige Priester bekannt.

Betroffen waren den kirchlichen Unterlagen zufolge 54 Kinder und Jugendliche. Neubrandenburg mit dem grausamen Pfarrer Hermann Josef Timmerbeil war ein Schwerpunkt des Missbrauchs zu DDR-Zeiten. Dem Bistum liegen aber auch Berichte von Betroffenen anderer katholischer Gemeinden vor, die von den Forschern der Uni Ulm untersucht werden. Untersucht wird nicht nur das Handeln von Priestern, sondern auch weiterer kirchlicher Bediensteter.

Viele Missbrauchsopfer schweigen bis heute

Alle bereits bekannten Betroffenen würden angeschrieben und zu Interviews eingeladen, sagte Dudeck. Zugleich sollen die Missbrauchsopfer Fragebögen ausfüllen, mit denen posttraumatische Belastungsstörungen und mögliche Gesundheitsprobleme erfasst werden. Neben den individuellen Auswirkungen wolle man untersuchen, welchen Einfluss sich aus dem gesellschaftlich-historischen Kontext der DDR ergibt. So ist für Timmerbeil belegt, dass MfS und Polizei von Missbrauchshandlungen informiert waren.

Dudeck erklärte, dass man allerdings auch von einer Dunkelziffer bei den Betroffenen ausgehen müsse. Viele Missbrauchsopfer würden bis heute schweigen, auch, weil „Vermeidigung und Überreaktion“ Auswirkungen posttraumatischer Störungen seien. „Ich hoffe aber, dass sich mit der Auftaktveranstaltung Betroffene melden, die bislang geschwiegen haben“, sagte sie. Die Daten würden anonym behandelt.