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Corona-Pandemie

Friedland – plötzlich ein Corona-Hotspot

Friedland / Lesedauer: 5 min

Geschäfte müssen schließen, Schüler werden ins Teilzeit-Homeoffice geschickt, öffentliche Sitzungen abgesagt. In Friedland ist das Coronavirus plötzlich so allgegenwärtig wie noch nie.
Veröffentlicht:02.12.2020, 06:11

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Im Rathaus wollte man möglichst schnell handeln, als zu Beginn der Woche die neuen Corona-Zahlen kamen. 50 Ansteckungen sind es im Amtsbereich Friedland mittlerweile. Auf 100.000 Einwohner gerechnet bedeutet das einen dramatisch klingenden Inzidenz-Wert von 595. Bei dem weiß allerdings auch die Gesundheitsbehörde, dass diese Zahl bei nur rund 9000 Einwohnern ein reines Rechenbeispiel sein dürfte.

Dennoch will man die neuen Zahlen in der Verwaltung nicht unterschätzen. Diese und kommende Woche wären eigentlich die Ausschüsse und die Stadtvertretung zusammengekommen. Nun kann lediglich der geschlossene Teil besprochen werden. Alles, was eine Öffentlichkeit dringend erforderlich gemacht hätte – wie die Diskussionen über neue Solaranlagen, Windkraftprojekte und die neue Hundehalterverordnung – wird verschoben. „Da staut sich natürlich etwas auf“, sagt Bürgermeister Wilfried Block (parteilos). Doch Alternativen gebe es noch nicht. Immerhin darf der Markttag am Mittwoch zum vorerst letzten Mal stattfinden. „Den spontan abzusagen, erschien mir auch mit Blick auf die Händler nicht gerechtfertigt“, sagt er.

Seniorenpark inzwischen professionell abgeschottet

Noch am Dienstag scheint es wenig vorstellbar, dass einen Tag später auf dem Marktplatz wieder geschäftiges Treiben herrschen soll. Ein Weihnachtsbaum fristet dort ein ziemlich einsames Dasein, einzig die Tafel für Amtliche Bekanntmachungen – vollgepackt mit Verordnungen von Land und Kreis zur Eindämmung des Virus – leistet ihm Gesellschaft.

„Ich verstehe nicht, wieso die Zahlen so hochschnellen konnten“, sagt eine ältere Dame beinahe ungläubig. Hier in Friedland, ohne Großveranstaltungen oder großes Tourismusvorkommen. Allein 29 Infizierte leben im Friedländer Seniorenwohnpark, der mittlerweile professionell abgeschottet ist. Gleichzeitig hat Friedland in den vergangenen sieben Tagen für mehr als ein Viertel der Neuinfektionen landkreisweit gesorgt. Die Auswirkungen sind überall im Stadtgebiet zu spüren. Wenn die Bankfiliale plötzlich für ein paar Tage zumacht, der Physiotherapeut kurzzeitig seine Praxis schließt oder beim Bäcker der Chef selbst hinter den Tresen muss. Nicht immer ist Corona die Ursache, sondern mal die reine Vorsicht oder „normal“ erkältete Mitarbeiter, die nun ausfallen.

Auch Gerüchte kommen schnell auf. Eine im Gesundheitsbereich arbeitende Friedländerin soll vor einigen Wochen nach einem Kontakt zu einem Infizierten aber ohne eigene Symptome einen Corona-Test angefordert haben. Das positive Testergebnis sei nach einiger Zeit in die Arbeitsstelle gekommen. Die Friedländerin habe sich ohne Kenntnis des Ergebnisses da aber bereits in den Urlaub verabschiedet gehabt und könnte das Virus so in der Stadt weiterverbreitet haben. Ohne dass es für diese Geschichte gesicherte Beweise gibt, zeigt sie dennoch, wie schnell sich SARS-CoV-2 ausbreiten könnte.

An der Schule ist jetzt Wechselunterricht

Gesichert ist: In der Förderschule hat sich eine Lehrkraft angesteckt, ihre Klasse kehrt am 8. Dezember aus der Quarantäne zurück. Die Kita „Kinderland“ ist seit dem 27. November geschlossen, Leiterin Kerstin Kummer hofft, die Einrichtung am 8. Dezember wieder zu öffnen. „Das wäre gerade für die Eltern sehr wichtig, für die tut es mir gerade besonders leid“, sagt sie. Mehrere Erzieher haben sich angesteckt. Wie viele der Betreuer und 65 Kinder noch betroffen sein könnten, ist bislang unklar. „Einige Testergebnisse stehen noch aus“, erklärt Kummer.

Auch der Friseur-Salon „Clip“ nahe dem Marktplatz musste am 25. November schließen. Eine Mitarbeiterin war positiv getestet worden, die gesamte elfköpfige Belegschaft inklusive Chefin Jana Weustenraad kam in die häusliche Quarantäne, Kunden wurden vom Gesundheitsamt angerufen. „Glücklicherweise hat sich bei der Kundschaft niemand angesteckt“, sagt sie. Am Dienstag kehrten die ersten zwei Mitarbeiterinnen und die Kundschaft zurück. „Jeden Tag werden es ein paar mehr“, sagt Weustenraad, die selbst noch zu Hause bleiben muss.

An der Neuen Friedländer Gesamtschule (NFG) mussten eine 9. Klasse und sieben Lehrkräfte in die Quarantäne – tatsächlich infiziert ist nach Angaben von Schulleiter Heiko Böhnke ein einziger Schüler. Doch in der NFG müssen sie sich wie auch in den anderen Schulen in Friedland und etwa dem Stargarder Land jetzt nach der neuesten Landratsverfügung umstellen. Nur die Hälfte aller Schüler darf gleichzeitig in der Schule sein. „Ausgenommen sind die 10., 11. und 12. Klasse, die sich auf die nächsten Abschlüsse vorbereiten“, sagt Böhnke.

Für Fernunterricht fehlen einigen Laptops und eine gute Internetverbindung

Für alle anderen heißt es: ab ins „Teilzeit-Homeschooling“. „Bis Weihnachten wird jede Klasse noch etwa vier Mal in der Schule sein“, rechnet der Schulleiter vor. Die anderen Tage sollen zu Hause die Aufgaben bearbeitet werden, die zuvor auf der schuleigenen Plattform bereitgestellt wurden. Um die technische Umsetzung macht sich Böhnke wenig Sorgen. „Wir haben die Zeit seit der ersten Schließung genutzt und die Lehrer wie Schüler im Umgang mit der digitalen Plattform geschult“, sagt er.

Zwei Dinge kann die Schule allerdings nicht beeinflussen: Einige wenige Schüler haben keine Laptops oder andere Endgeräte, die Schule selbst wartet noch immer darauf, welche zu bekommen, um sie zu verteilen. „Noch haben wir aber keine. Die Schüler müssen uns im Zweifel Bescheid geben und bekommen die Aufgaben dann in Papierform mit“, sagt der Schulleiter. Ein anderes Problem: Noch immer haben nicht alle Haushalte eine ausreichende Internetverbindung. Ein nicht untypisches Problem für den Osten der Seenplatte. Ganz im Gegensatz zum Coronavirus. Trotzdem müssen sie auch damit nun irgendwie klarkommen.