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Gericht

Großmutter froh über Gefängnisstrafe für eigenen Enkel

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Er hat jahrelang immer wieder Geld von ihr verlangt. Gab es keins, setzte es auch schon mal Schläge. Dafür saß der junge Mann schon einmal ein. Als er rauskam, ging alles von vorne los.
Veröffentlicht:14.10.2020, 11:49

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Auf zwei Krücken schiebt sich die 79-jährige Frau aus Neubrandenburg in den Gerichtssaal. Die Hüfte zwickt, lässt sie Richterin Tanja Krüske wissen. Alles beschwerlich eben im Alter, und auch der Blutdruck erreicht manchmal schwindelerregende Höhen. Dann hat sie immer ein spezielles Spray bei der Hand, wenn die Tabletten nicht reichen.

Enkel saß bereits wegen Gewalt gegen die Großmutter

An einigen Tagen Ende Mai und Anfang Juni musste das Sprühfläschchen besonders häufig zum Einsatz kommen. Denn am 29. Mai wurde der Enkel der älteren Dame aus dem Gefängnis entlassen. Eigentlich ein Grund zur Freude, den jungen Verwandten wieder in die Arme schließen zu können. Hier aber nicht: Denn der Enkel (30) saß wegen Gewalt gegen seine Großmutter hinter Gittern. Große Angst deshalb bei den Verwandten, als die Haftentlassung publik wurde. Auf ihren Antrag verhängte das Gericht auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes eine Kontaktsperre gegen den frisch Entlassenen. Auf 200 Meter durfte der sich nicht seiner Oma annähern, sie weder anrufen noch ihr schreiben.

Oma musste sich sogar verschulden

Denn die Leidensgeschichte der Rentnerin ist lang. Immer wieder und seit Jahren verlangte der junge Mann Geld von der Oma, hatte sie keins, setzte es auch schon Schläge. Die kleine Rente war unter den Umständen schnell alle, selbst Geld borgen musste sich die 79-Jährige deshalb. Die Neubrandenburgerin lebte in ständiger Angst, dass der Enkel ihr wieder auflauert.

So auch Ende Mai. Zwei ihrer Töchter wechseln sich Tag und Nacht ab, die alte Dame zu betreuen und zu beschützen. Und trotzdem. Zweimal klingelt der junge Mann bei der Oma, einmal sogar kurz nach Mitternacht. Die hat aber viel Besseres zu tun, als ihm zu öffnen – und alarmiert die Polizei. Die kann ihn beim zweiten Mal schnappen und in Gewahrsam nehmen. Zuvor hatte der Enkel auch seine Schwester gezwungen, bei der gemeinsamen Großmutter anzurufen. Die solle sich aufs Fahrrad schwingen und ihm 50 Euro in die Neubrandenburger Oststadt bringen. Aber schnell. Hat sie nicht gemacht, macht sie nie mehr.

Die Richterin kommt zu einem klaren Urteil

Gott sei Dank, seufzt die Seniorin in einer Verhandlungspause im Neubrandenburger Amtsgericht, darf sie noch sechs andere Enkel ihr Eigen nennen. Und die seien alle wohlgeraten. Aber auch mit dem einen hat sie sich viel und lange Zeit Mühe gegeben. Aber das Elend ging früh los, seufzt die ältere Dame. Falsche Freunde, hat sie als Ursache ausgemacht, und zu viele Drogen. Der Kriminalhauptkommissar, der als Zeuge im Gericht auftritt, sagt, er müsse sich seit 2002 mit dem Angeklagten beschäftigen. Da war der erst zarte 13 Jahre jung.

Viele Vorstrafen

14 Vorstrafen später verurteilt ihn das Schöffengericht unter Leitung der Richterin Tanja Krüske wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht – eigentlich sollte er sich alle drei Tage auf dem Polizeihauptrevier in Neubrandenburg melden, verzichtete aber darauf –, wegen Nachstellung und des Verstoßes gegen die Gewaltschutzanordnung zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Eine Bewährung käme nicht in Frage, so die Begründung, Fluchtgefahr müsse kalkuliert werden, weil der Angeklagte ohne festen Wohnsitz sei. Zudem ist die Sozialprognose eine denkbar schlechte.

Allerdings könne es nicht ausgeschlossen werden, dass die Steuerungsfähigkeit des jungen Mannes wenigstens eingeschränkt sei. Ein psychiatrisches Gutachten ist zu dem Schluss gekommen, dass der junge Mann möglicherweise an einer paranoiden Schizophrenie leide. In der Untersuchungshaft bekommt er Tabletten, sagt er. Zum Einschlafen auch und gegen chronische Schmerzen.

Seine Großmutter aber kann jetzt auch wieder besser schlafen.