StartseiteRegionalNeubrandenburgHunde auf Ausländer gehetzt - Was Täter und Opfer dazu sagen

Vorfall in Friedland

Hunde auf Ausländer gehetzt - Was Täter und Opfer dazu sagen

Friedland / Lesedauer: 5 min

In Friedland wurden Zuwanderer von Hunden gejagt und anschließend angegriffen. Diese Meldung machte Schlagzeilen. Der Nordkurier hat Täter und Opfer getroffen – und eine andere Version des Falls erfahren.
Veröffentlicht:21.04.2018, 16:36
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Der Tagesschau war es eine Spitzenmeldung wert, Politiker äußerten sich über den Vorfall entsetzt in den sozialen Medien: Eine Gruppe betrunkener Deutscher hat laut Polizei am Donnerstagabend am Mühlenteich in Friedland Hunde auf zwei Eritreer gehetzt, es kam zu einem Handgemenge, die Fahrräder der Asylbewerber wurden dann noch in den See geworfen.

Laut Polizei sollen die betrunkenen deutschen Täter sogar in Anwesenheit der Beamten noch auf rassistische Weise geflucht haben. „Scheiß Ausländer“, so zitierten es die Beamten in ihrem Bericht, soll gebrüllt worden sein.

Für die Tageszeitung „taz“ aus Berlin war der Vorfall typisch für den deutschen Osten. „Was man in Mecklenburg-Vorpommern halt so am Abend vor Führers Geburtstag macht“, schrieb sie zu dem Vorfall im Nachrichtendienst Twitter.

Die Integrationsbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern forderte unmittelbar nach der Tat, die Verantwortlichen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zur Rechenschaft zu ziehen. Auch der Staatsschutz wurde in die Ermittlung einbezogen.

Wie das Ganze wirklich ablief

Der Nordkurier traf vor Ort Täter und Opfer, hat mit beiden gesprochen und überraschende Antworten erhalten.

Der Mühlenteich von Friedland ist eigentlich ein ausgewachsener See. Umgeben von Wiesen und Schilfgürteln liegt er friedlich in der Abendsonne, ein paar Jugendliche sitzen auf einer Bank an seiner Südspitze, ein Bierchen, eine Musikanlage erfreulich leise gestellt. Höflich, freundlich, aber wissen tun sie nichts. Nee, nur was die Eltern erzählt haben. „Aber wahrscheinlich waren es die da unten“, sagt einer.

Die da unten haben sich den vielleicht schönsten Platz am See gesichert. Kap Arkona nennen Einheimische die Landzunge, die in einem Halbrund auf den See hinausragt. Lautes Gelächter hört man von dort, Hundegebell, es klingt ausgelassen.

„Ich würde da nicht hingehen. Da hat es gerade schon wieder eine Schlägerei gegeben. Und die haben wieder mächtig getankt.“ Drei Angler, die sich zwischen der Bank und Kap Arkona ein Plätzchen gesucht haben, warnen den Reporter eindringlich vor zu großer Neugier. „Na, aber reden kann man doch mit jedem.“ – „Äähh, nein! Der Eine ist wirklich komisch. Und die Hunde...“

Erneuter Angriff

Eine knappe halbe Stunde zuvor musste das auf schmerzhafte Weise ein junger Mann erfahren, der mit Hund und weiblicher Begleitung am See spazieren ging. Ein Deutscher. Hundegebell, Menschengebrüll, schon flogen die Fäuste. „Die schlagen auch Deutsche“, weiß einer der Angler. „Das sind keine Rechtsradikalen. Aber die hassen Ausländer“, sagt der Zweite.

Die Logik klingt seltsam, aber er erklärt: „Richtige Rechtsradikale planen ihre Aktionen und prügeln nicht betrunken los. Die wollen auch keinen Ärger wegen so etwas mit der Polizei, die halten sich im Hintergrund“, hat er beobachtet. „Die dort sind unberechenbar und aggressiv, wenn die was drin haben“, lautet die wenig erbauliche dritte Auskunft. Und da alle drei Einheimische sind, ist man dann doch ein wenig nachdenklich und vertritt sich noch ein wenig die Beine.

Die Männer aus Eritrea

Und dann stehen da auf einmal Baith und Barrack am Ufer des Sees. Ja, sie sind die beiden jungen Männer aus Eritrea, die am Tag zuvor angegriffen wurden.

Seit einem Jahr leben sie in Friedland, es war die erste negative Erfahrung, die sie machen mussten, aber sie haben auch kaum Kontakt zu Einheimischen. Nur beim Fußball, aber da auch nicht viel. Man kommt, man spielt, man geht. In ihrem Fall zurück in die Jahnstraße ins Asylbewerberheim, rund 70 Menschen leben da. Oder jetzt bei schönem Wetter eben an den See.

Bis ihnen jetzt die Hunde nachstellten. Ihr Deutsch ist zu schlecht, um eindeutig sagen zu können, ob die Hunde gehetzt wurden oder ob die Rufe die Tiere eher zurückhalten sollten. Aber wenn einem eine Gruppe dann auch noch nachstellt und handgreiflich wird, dann versteht man das in jeder Sprache. Einen richtigen Kampf habe es allerdings nicht gegeben, mehr so eine Rangelei, sie hätten sich ja auch gewehrt. Ihre Fahrräder landeten allerdings im See, eins zog die Polizei gleich heraus, nach dem zweiten hakeln sie jetzt mit einem langen Stock.

Angreifer entschuldigen sich

Und dann kommen da auf einmal zwei Leute vom Kap Arkona angelaufen. Spannung liegt in der Luft, aber die jungen Männer suchen zumindest jetzt keinen Ärger. Richtig blöd gelaufen sei das am Vortag ja, und warum die Afrikaner denn gleich die Polizei gerufen hätten? Und dann entschuldigen sie sich, und tatsächlich nehmen Baith und Barrack die Entschuldigung an. Das könne ja alles mal passieren, meinen sie, und auch, dass sie auf dem weiten Weg bis Friedland schon deutlich Schlimmeres erlebt hätten.

Was bleibt: Schlagzeilen über rassistische Hundehetzer, die ja nicht einmal falsch sind, aber irgendwie auch nicht das ganze Bild treffen. Es bleiben auch unberechenbare Trinker, von denen man sich lieber fernhält, es bleiben einsame Afrikaner, denen ein beschämendes Unrecht widerfuhr. Und es bleibt ein wunderschöner See, der einen traurig macht.