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Tourismus in Neubrandenburg

Kahlschlag am Tollensesee Vision oder Wahnwitz?

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Der Vorschlag, das Ufer am Tollensesee in Neubrandenburg durch rigorosen Kahlschlag touristisch attraktiver zu machen, schlägt hohe Wellen. In die anfangs überwiegende Empörung mischt sich indessen auch Zustimmung.
Veröffentlicht:04.09.2018, 19:00

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Vision oder Wahnwitz? Was für Wellen die Idee schlagen würde, durch Abholzung die touristische Anziehungskraft des Tollensesee-Ufers zu stärken, dürfte dem Urheber dieses Vorschlags durchaus klar gewesen sein. Wenn potenziellen Investoren auf dem RWN-Gelände beidseits des Wassersportzentrums die freie Sicht aufs Wasser vermissten, könne die Stadt „getrost jede touristische Nutzung des Geländes vergessen“, hatte CDU-Stadtvertreter Marco Messner seinen Vorstoß begründet.

Um „seebezogene Nutzungen“ etwa für Wassertourismus oder Erholungszwecke zu ermöglichen, und das auf bereits erschlossenen Flächen, hatte die Stadtverwaltung einen Bebauungsplan für das Areal Tollenseseeufer/Augustastraße erarbeitet, ob des sich schnell abzeichnenden Gegenwinds aber zunächst zurückgezogen. Doch wie viel Freiheit braucht der Blick auf den See und vom See in Richtung Ufer? Darüber gehen die Meinungen nicht nur zwischen Planern und Stadtvertretern, sondern auch unter den Nordkurier-Lesern weit auseinander.

„Ich bin einfach nur entsetzt!“, kommentiert Lisa Bademann, noch mit einigen weiteren Ausrufezeichen versehen, die Kahlschlag-Idee. Auch Ulrich Schulz macht aus seiner Empörung kein Hehl: „Ja, sind denn die Befürworter des Baumfällens noch bei Trost?“ fragt er. Und befürchtet, dass es dabei nur um „wohl erhoffte mögliche Mehreinnahmen der Touristikbranche“ gehe. Gerade der Wald- und Baumbestand mache die Anziehungskraft des Tollensesees aus. Daher sollten „sämtliche gesunden Bäume uns weiterhin erhalten bleiben, den geldgierigen Gegnern zum Trotz und uns und unseren Nachkommen zur Freude“.

Sicht aufs Wasser sehr eingeschränkt

Doch auch konträre Meinungen werden deutlich. Flora und Faune hätten durchaus genug Raum am Tollensesee, meint etwa Helga Walther aus Burg Stargard. Sie erinnert dabei auch an die Sorgen des Brodaer „Seeperle“-Betreibers Roland Kohn, dessen Gästen zeitweise durch üppig wachsendes Gebüsch der See-Blick verwehrt war. Auch bei Spaziergängen zwischen Augustabad und Badehaus empfindet Helga Walther die Sicht aufs Wasser als sehr eingeschränkt. „Natur und Mensch können mit Augenmaß beim Abholzen gut in Einklang leben“, findet sie. „Einen Urwald brauchen wir hier nicht. Mehr touristische Erschließungen können nicht schaden.“

Ähnliche Hoffnungen hegt Klaus Trenkler. „Das Motto, den Tollensesee näher an die Stadt zu holen, wird ja schon jahrelang diskutiert, aber genau das Gegenteil wird praktisch umgesetzt“, so sein Eindruck. Schon mehrfach seien in Neubrandenburg „unter dem Deckmantel des Naturschutzes Vorhaben im Sinne des Tourismus zu Fall gebracht“ worden. Die Bänke am Uferweg hätten früher freien Blick auf den See ermöglicht, erinnert der Neubrandenburger und wünscht sich, dass dies nach der bevorstehenden Sanierung der Promenade wieder der Fall sein wird.

Geduld der Neubrandenburger überstrapaziert

Hans-Ulrich Voß sieht indessen die Geduld der Neubrandenburger schon längst überstrapaziert: „Jahrzehnte war dieser Uferabschnitt blockiert“, schreibt er, „nun freuen wir uns schon fast 30 Jahre über den freien Zugang zum See, lassen es aber zu, dass die Uferzone immer mehr verkommt und kaum noch freie Sicht besteht. Es sei an der Zeit, eine für alle Bürger und Besucher akzeptable Gestaltung zu finden. Jedoch zeigten Konflikte zwischen Investoren und Naturschutz, „dass mit Herzblut keine Initiativen entwickelt werden, die die Allgemeininteressen befriedigen“.

Mit einem historischen Foto verdeutlicht Robby Scholz aus Neubrandenburg seinen Wunsch nach Veränderung: „So ähnlich sah der Zustand auch noch bis 1989 aus“, berichtet er. Anwohner hätten dafür gesorgt, dass die historischen Sichtachsen zu den Villen nicht zuwuchsen oder -wucherten. Neuere Versuche, den abgebildeten Zustand wieder herzustellen, seien jedoch immer wieder gescheitert.