Hort des Verbrechens?
Neubrandenburg staunt über mögliche Terror-Clans
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min
Im Neubrandenburger Rathaus haben sich viele Mitarbeiter am Dienstagmorgen verwundert die Augen gerieben, als sie im Nordkurier lesen mussten, wie Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) unter Berufung auf den neuen Verfassungsschutzbericht die Lage einschätzt.
Neubrandenburg, so der Minister, entwickele sich zum Brennpunkt von islamistischem Extremismus und organisierter Kriminalität. Eine besondere Rolle schiebt Caffier dabei tschetschenischen Familien zu.
„Eine unglückliche Formulierung”
Neubrandenburgs Vize-Oberbürgermeister Peter Modemann, in seiner Funktion auch zuständig für den Bereich Ordnung und Sicherheit in der Stadt, hält die Caffier-Aussage für „eine unglückliche Formulierung“. Von solchen ausgeprägten kriminellen Seilschaften, wie sie der Innenminister beschwört, sei im Rathaus nichts bekannt.
Im größten Asylbewerberheim an der Seenplatte, das von den Maltesern in der Oststadt betrieben wird, leben auch nur drei tschetschenische Familien, erfuhr der Nordkurier auf Nachfrage im Heim. Und die würden ziemlich normal dort leben.
Bei einer jüngsten Routine-Besprechung des Staatsschutzes mit der Verwaltung des Landkreises Seenplatte, hieß es aus Teilnehmerkreisen, habe die Tschetschenen-Problematik in Neubrandenburg überhaupt keine Rolle gespielt und sei noch nicht einmal erwähnt worden.
Vorfälle mit Tschetschenen
Vor Jahren habe es einige Tschetschenen gegeben, die durch Dönerbuden der Stadt zogen und da Rabatz machten, wo Schweinefleisch mit am Spieß hing. Ebenfalls noch nicht lange her ist, dass ein tschetschenisches Bruderpaar Polizisten in Neubrandenburg fast zur Verzweiflung brachte, weil es immer wieder mit Körperverletzungen von sich reden machte.
Im vergangenen Jahr stand außerdem ein Tschetschene vor Gericht, der einen Berliner Gast während einer Auseinandersetzung vor dem Alternativen Jugendzentrum (AJZ) in Broda mit einem Messer verletzt hatte.
Prüfung ist bislang ohne Ergebnis
Mögliche kriminelle Clans in Neubrandenburg machten bislang in der Öffentlichkeit aber nur selten von sich reden. Vor zwei Wochen zog ein selbst ernannter „Rocker“ durch die Innenstadt, ließ sich beim Posieren filmen und gab mächtig an, dass diese Stadt ihm gehöre.
Und im März 2018 reisten türkische Familienangehörige und Freunde aus Berlin an, um einen der ihren aus dem Polizeigewahrsam zu holen – vergeblich. Neubrandenburger Polizisten zeigten ihnen, dass sie hier nicht erwünscht waren.
Wohl 135 Salafisten in MV
Aus Sicherheitskreisen heißt es, in Mecklenburg-Vorpommern würden sich wohl 135 Salafisten – radikale Islamisten – aufhalten, etwa 40 Prozent von denen seien tschetschenischer Herkunft. Und etliche derer sollen in Neubrandenburg leben.
Wie genau die jetzt aber in das Visier des Innenministers geraten sind, darüber war bisher weder aus dem Neubrandenburger Polizeipräsidium noch aus Schwerin Genaueres zu erfahren. Aus dem Polizeipräsidium hieß es, das Landeskriminalamt würde das prüfen – Ergebnisse seien aber so schnell nicht zu erwarten.