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Gerichtsverhandlung

Räuber erpresste EC-Karte und Handy mit Pistole in Neubrandenburg

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Der Mann wurde bereits zehn Mal verurteilt, nun ist es wieder passiert. Er soll das Opfer mit einer Pistole angeschossen haben, um an ein 1000-Euro-Handy zu gelangen.
Veröffentlicht:22.09.2022, 10:44

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Gut fünf Wochen nach seinem Einzug in die Untersuchungshaft hat sich Mitte Mai der 24-Jährige an den kleinen Tisch in der engen Zelle gesetzt und einen Brief an seine Liebste geschrieben. Der Mann, der jetzt als Angeklagter im Neubrandenburger Landgericht sitzt, verstand sich damals selbst nicht mehr. Es sei schon wieder passiert, liest der Vorsitzende Richter Benjamin Beischer aus dem Brief an die Bekannte vor.

Warum, das wisse er auch nicht und alles tue ihm entsetzlich leid. Besonders, weil er die Freundin jetzt wieder allein lässt. Einen großen Fehler habe er begangen, brachte er damals zu Papier. Dabei sollte dieses Mal doch alles anders werden, besser. Die Alleingelassene sitzt hinten im Gerichtssaal und schaut mit roten Augen auf den Freund.

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Bewährung kommt hier nicht mehr infrage

Das kann dauern, bis sich die beiden außerhalb des Besucherraums des Gefängnisses wiedersehen. Denn der junge Mann aus dem Kreis Mecklenburgische Seenplatte ist der schweren räuberischen Erpressung angeklagt, kein Pappenstiel. Eine Strafe auf Bewährung kommt bei einer Verurteilung schon nicht mehr infrage.

Hinter dem Briefeschreiber sitzt ein Bekannter, den klagt die Staatsanwaltschaft an, dem Hauptangeklagten geholfen zu haben. Eigentlich gehört noch eine 14-Jährige dazu, gegen die wird aber extra verhandelt. Die Jung-Jugendliche, damals im April aus einer Einrichtung der Jugendhilfe ausgebüxt und mit den beiden Männern unterwegs, soll vor der Tat den Lockvogel gespielt haben. Sie sollte, so wohl der Plan, das 18-jährige Opfer in die Wohnung des Mitangeklagten gelotst haben, wo die Männer schon auf ihn warteten. Aus irgendwelchen Gründen hatten beide noch eine Rechnung mit dem anderen offen.

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Ohne langes Federlesen hat es laut Anklage dann auch gleich einen Fausthieb ins Gesicht gesetzt, um der Forderung nach Herausgabe eines neuen rund 1000 Euro teuren Handys Nachdruck zu verleihen. Ganz martialisch zog der 24-Jährige dann eine Schreckschusspistole aus der Tasche, bei einem anschließenden Gerangel löste sich ein Schuss, unklar, ob versehentlich oder absichtlich und traf das Opfer in den Oberschenkel. Eingeschüchtert rückte der 18-Jährige das neue Smartphone raus und verriet das Kennwort.

Und weil das so gut klappte, verlangte der andere auch gleich die EC-Karte samt Code. Nur kurze Zeit später konnte die Polizei beide Männer schnappen. Die hatten sich über- und ihr Opfer unterschätzt. Der alarmierte nämlich angstfrei gleich nach der Tat die Polizei.

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Es war klar, dass alles auffliegt

Was für eine blöde Tat, das Opfer kannte die Täter, alles nur eine Frage der Zeit. Oder haben Drogen eine unheilvolle Rolle gespielt? Bei dem Haupttäter wurde später im Neubrandenburger Klinikum eine hohe Konzentration im Blut festgestellt. Er habe regelmäßig, täglich mehrmals seinerzeit, Amphetamine eingeworfen, sagt der Angeklagte vor Gericht.

Der Rechtsmediziner Klaus-Peter Philipp erklärt dem Gericht, Amphetamine putschen auf und entfalten zumeist eine enthemmende Wirkung. So sei vielleicht zu erklären, warum eine solche Tat begangen wird, deren Aufklärung eigentlich doch von vornherein feststeht. Das hätte der Mann wissen können, der Umgang mit Polizisten und Richtern ist für den nichts Neues, zehn Mal schon musste er verurteilt werden.

Jetzt auch wieder. Zwei Jahre und zehn Monate muss der Angeklagte hinter Gitter, sein Bekannter wird freigesprochen. Nachweisen kann das Gericht dem nichts, im Gegenteil. Weil er nach der Tat auch einige Woche in Untersuchungshaft zubringen musste, steht ihm sogar eine Entschädigung zu.

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Die Freundin mit den roten Augen, die mutterseelenallein auf den Zuschauerbänken sitzt, muss jetzt wieder mächtig schlucken und eine lange Zeit ohne den Freund leben. Dabei hätte es schlimmer kommen können, der Staatsanwalt hatte dreieinhalb Jahre gefordert. Der Pflichtverteidiger des Briefeschreibers, Rechtsanwalt Wolfgang Bartsch, plädierte für lediglich zwei Jahre und drei Monate.