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Nach Kritik

Seenplatten-Landkreis hält an verschärften Corona-Maßnahmen fest

Neubrandenburg / Lesedauer: 5 min

Schüler in der Seenplatte müssen nun auch im Unterricht Masken tragen. Völlig übertrieben nennt das ein Kinderarzt aus Neubrandenburg, doch der Kreis betont, dass er sich an gängige Richtlinien halte.
Veröffentlicht:04.12.2020, 18:49

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Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte wird weiter an seinen verschärften Corona-Maßnahmen an Schulen festhalten. Seit Mittwoch müssen Schüler in weiten Teilen der Seenplatte eine Maske im Unterricht tragen. Außerdem wurde für höhere Klassenstufen Wechselunterricht eingeführt: Ein Teil der Klasse bleibt zu Hause, während die anderen Kinder weiter im Unterricht sitzen und nach einer Woche wird getauscht.

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Dies gilt bis zu den Weihnachtsferien für die Amtsbereiche Woldegk, Friedland, Stargarder Land und Seenlandschaft Waren. „Es ist bisher leider nicht gelungen, die Ausbreitung des Virus im Nordosten unseres Landkreises zu bremsen“, sagte Landrat Heiko Kärger (CDU).

Corona als „Alterspandemie”?

Der Chefarzt der Neubrandenburger Kinderklinik, Dr. Sven Armbrust, bezeichnete die Maßnahmen als unnötig. Der Nordkurier veröffentlichte einen Gastbeitrag des Mediziners. Darin schreibt er, dass es dem aktuellen Stand der Wissenschaft widerspreche, zu suggerieren, dass die Schulen schuld an den aktuell hohen Inzidenzwerten im Landkreis seien. Der Inzidenzwert für die Seenplatte ist in dieser Woche kontinuierlich gestiegen und lag am Freitag bei 78,7. Der Wert gibt an, wie viele Menschen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner positiv auf das Coronavirus getestet worden sind.

Corona müsse als eine „Alterspandemie“ bezeichnet werden, so Armbrust. Die Gefahr, an der von dem Virus ausgelösten Krankheit zu sterben, steige mit dem hohen Alter deutlich an. Weltweit seien zwar schwere Verläufe auch bei Kindern beschrieben, im Allgemeinen seien die Verläufe aber zumeist milde bis asymptomatisch.

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Auch das Bildungsministerium in Schwerin betonte in dieser Woche, alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigten bislang, dass Schulen nicht für die Ausbreitung des Virus verantwortlich seien und von ihnen kein Anstieg der allgemeinen Infektionszahlen ausgehe.

Landkreis hält an harten Maßnahmen fest

Die harte Kritik des Kinderarztes wird am derzeitigen Kurs des Landkreises nichts ändern. So teilte eine Kreissprecherin auf Anfrage mit: „Bei der Entscheidung, ob Schüler in Quarantäne geschickt werden oder Schulen und Kitas ganz geschlossen werden, hält sich das Gesundheitsamt an die Ampelregelung der Landesregierung.” Springt diese Ampel auf rot, muss an den weiterführenden Schulen des Landkreises geprüft werden, ob eine Maskenpflicht im Unterricht erforderlich ist. Und weil diese Werte überschritten worden sind, hätte man entsprechende Regelungen getroffen.

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Im Einvernehmen mit der Landesregierung seien Abweichungen möglich, so die Sprecherin. Und genau so habe sich der Landkreis auch verhalten, indem er Wechselunterricht und Maskenpflicht auf die Amtsbereiche beschränkt habe, in denen die Infektionszahlen derzeit am höchsten sind.

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„Außerdem handelt das Gesundheitsamt nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI) und stets in Abstimmung mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern”, so die Sprecherin des Seenplatten-Landkreises zu den Aussagen des Neubrandenburger Kinderarztes.

Komning spricht von „Aktionismus”

Am Donnerstag, als der Nordkurier erstmals über die Kritik am derzeitigen Kurs des Landkreises berichtet hatte, gab es umgehend eine Reaktion aus Berlin. „Wenn der Chefarzt der Neubrandenburger Kinderklinik die nun beschlossenen Verschärfungen der Corona-Regeln an Schulen für unnötig hält, dann spricht viel dafür, dass sie rechtswidrig sind”, vermutete der AfD-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning (AfD) aus Neubrandenburg. Die verschärften Maßnahmen unter Landrat Kärger nannte er „Aktionismus”.

Allein auf die Empfehlungen des RKI zu schauen, greife laut Komning zu kurz und in unverhältnismäßiger Weise in grundlegende Rechte Minderjähriger ein. Kritische Stimmen wie jene von Chefarzt Dr. Sven Armbrust würden aber nicht nicht gehört. „Die Regierungen dieses Landes versündigen sich an unseren Kindern. Heute wird ihnen ihre Ausbildung genommen und morgen müssen sie für den ganzen Wahnsinn die Zeche bezahlen.”

Butzki: Maßnahmen haben sich bewährt

Zurückhaltender äußern sich da Politiker der anderen Parteien. Die bisherigen Maßnahmen an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern hätten sich bewährt, erklärte Andreas Butzki, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Schweriner Landtag auf Anfrage. Kitas und Schulen seien keine Hotspots. Butzki befürwortet regional schärfere Maßnahmen wie jene in der Seenplatte, wenn sie durch hohe Infektionsraten erforderlich werden. „Diese Entscheidungen treffen die zuständigen Gesundheitsämter vor Ort und das funktioniert sehr gut.” Die SPD-Fraktion sehe aktuell keinen Grund, dieses Vorgehen zu ändern. „Je nach Entwicklung des Infektionsgeschehens sind selbstverständlich Änderungen nie ausgeschlossen; von uns kann niemand in eine Glaskugel schauen, um die Zukunft vorherzusagen”, so Butzki.

Simone Oldenburg, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, betonte, dass nichts unversucht bleiben dürfe, den Präsenzunterricht zu gewährleisten. „Fehlender Kontakt der Schülerinnen und Schüler zur Lehrkraft ist fehlende Bildung.” Bevor eine Schulschließung droht, sei Wechselunterricht eine sinnvolle Maßnahme, die Infektionsgefahr für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte zu mindern.

Marc Reinhardt, der für die CDU-Fraktion im Landtag über Bildung Spricht, betont, dass es die derzeitigen Einschränkungen im Bereich des Tourismus oder der Gastronomie auch deswegen gebe, damit die Schulen offen bleiben können. „Auch Schulen tragen vermutlich zum Infektionsgeschehen bei, trotzdem ist Präsenzunterricht nicht zu ersetzen, vor allem nicht bei schwächeren Schülern”, so Reinhardt.