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Gerichtsprozess

So begann der Prozess gegen Leonies Mutter

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

In Neubrandenburg hat der Prozess gegen die Mutter der getöteten sechsjährigen Leonie begonnen. In der Verhandlung sitzt die junge Frau wieder dem leiblichen Vater des Kindes gegenüber.
Veröffentlicht:02.12.2021, 11:34

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Nur wenige Minuten nach dem Start ist für das Publikum die unter strengen Sicherheitsvorkehrungen gestartete Verhandlung am Neubrandenburger Amtsgericht gegen die Mutter der im Januar 2019 getöteten Leonie aus Torgelow schon wieder beendet. Keine große Überraschung, dass die Verteidigerin der angeklagten 27-Jährigen nach der Verlesung der Anklage den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt. Ihre Mandantin wolle aussagen, ließ Rechtsanwältin Sabine Butzke wissen – aber weil dabei viele Details aus dem Familien- und Sexualleben zur Sprache kommen und ihre Persönlichkeitsrechte geschützt werden müssten, solle das Publikum den Saal verlassen.

Sie knautscht nervös ein blaues Kuscheltier

Nach kurzer Beratung entsprach das Schöffengericht unter Leitung der Vorsitzenden Tanja Krüske dem Antrag. Schon im Prozess gegen den ehemaligen Lebensgefährten der Angeklagten, der wegen Mordes an dem kleinen Mädchen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, war während ihrer Zeugenaussage die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden.

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Jetzt, fast drei Jahre nach dem gewaltsamen Tod des Kindes in der Torgelower Wohnung, sitzt Leonies Mutter selbst als Angeklagte vor Gericht – verborgen hinter einer Corona-Maske und einer dunklen Sonnenbrille. Nervös knautscht die 27-Jährige ein blaues kleines Kuscheltier. Die Staatsanwaltschaft wirft der jungen Frau vor, fahrlässig den Tod ihrer Tochter Leonie verursacht zu haben. Sie hätte am 12. Januar 2019 die schweren Verletzungen der Tochter erkennen müssen und habe nicht rechtzeitig Hilfe geholt, heißt es.

Brutal vom Stiefvater misshandelt

Als sie an dem Nachmittag nach einem Einkauf wieder zu Hause ankam, lag die Sechsjährige mit einem Kühlakku in den Händen auf ihrem Bett und war noch ansprechbar. Sie sei die Treppe heruntergefallen, wimmerte das Kind – wie es ihr wohl eingebläut worden war. In Wirklichkeit war das Mädchen zuvor brutal von ihrem Stiefvater misshandelt worden – wie schon in den Tagen und Wochen zuvor.

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Aber selbst als sich der Zustand des Kindes weiter verschlimmerte und obwohl die Rettungswache in Torgelow nur wenige Hundert Meter weit entfernt war, soll die Angeklagte nichts unternommen haben, um Hilfe herbeizurufen. Erst als Leonie ins Koma fiel, telefonierten die Erwachsenen – allerdings zu spät. Leonie verstarb noch vor dem Eintreffen der Rettungssanitäter. Das Kind hätte wohl überleben können, wenn rechtzeitig Hilfe geleistet worden wäre.

„Ich will wissen, warum das geschehen ist”

Nur wenige Meter entfernt von der Angeklagten, seiner ehemaligen Partnerin, sitzt Leonies leiblicher Vater. Oliver Ehmke, der als Nebenkläger schon dem Prozess gegen den Mörder seiner Tochter an allen Verhandlungstagen folgte, hat auch gegen Leonies Mutter Nebenklage erhoben. Als Nebenklage wird die Teilnahme des Opfers oder seines Rechtsnachfolgers an der Anklage der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren bezeichnet.

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Ehmke erzählt vor Prozessbeginn, durchaus „gemischte Gefühle” zu verspüren. „Einerseits ist da Hass und Verachtung – aber ich will auch unbedingt wissen, warum das alles geschehen ist”, sagt er. Der gemeinsame Sohn, den er mit der Angeklagten hat, lebt seit den schrecklichen Geschehnissen bei ihm. Leonies jüngerem Bruder, mittlerweile fünf Jahre alt, gehe es gut, sagt er und lächelt jetzt sogar ein bisschen.

Opfer und mutmaßliche Mittäterin zugleich

Sein Rechtsanwalt Falk-Ingo Flöter, der ihm als sogenannter Nebenklägervertreter zur Seite steht, beschreibt die Doppelrolle der Angeklagten. Natürlich sei sie nicht nur Täterin, sondern auch Opfer gewesen. Allerdings, glaubt der Anwalt, habe sie wohl einen größeren Teil Schuld am Tod ihrer Tochter als ursprünglich angenommen.

Die Verhandlung wird am 14. Dezember fortgesetzt.