StartseiteRegionalNeubrandenburg▶ So erlebten Nachbarn den Mordversuch in Neubrandenburg

Polizist verhaftet

▶ So erlebten Nachbarn den Mordversuch in Neubrandenburg

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Zwei Frauen und ein Baby sind höchstwahrscheinlich nur knapp dem Tod entronnen. Dass sie gerettet werden konnten, haben sie unter anderem ihren Nachbarn zu verdanken.
Veröffentlicht:12.10.2021, 19:47

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Als die Schreie durchs Haus gellten, wussten die Nachbarn: „Hier schreit jemand um sein Leben.“ Davon sind jedenfalls zwei Frauen überzeugt, die nach der unfassbaren Tat vom Montag geholfen haben – und das jetzt verarbeiten müssen. Keine 24 Stunden nach dem schrecklichen Vorfall in der Neubrandenburger Hufelandstraße erinnert rein optisch kaum etwas daran, was sich einen Tag zuvor dort zugetragen hat. Doch zwei Nachbarinnen, die ihre Namen nicht öffentlichen nennen wollen, kämpfen mit ihren Erinnerungen.

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Am Montagnachmittag waren Rettungskräfte an den Rand der Oststadt gerufen worden. Es brannte in einer Wohnung. Zwei Frauen im Alter von 33 und 69 Jahren und ein Baby waren dabei verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Erst einen Tag später kamen mehr Details ans Licht.

So hätten die Frauen laut Polizei nicht nur Verletzungen aufgewiesen, die von einem Brand herrührten, sondern auch Anzeichen von stumpfer Gewalteinwirkung gehabt. Durch weitere Ermittlungen war dann ein 56-jähriger Polizist aus dem Landkreis Rostock ins Visier geraten. Er war noch in der Nacht zu Dienstag festgenommen worden. Die Polizei ermittelt jetzt wegen des Verdachts des versuchten Mordes.

Die eine lief hinauf, die andere rief die Feuerwehr

Die beiden Nachbarinnen, die sich nach der mutmaßlichen Schreckenstat jetzt gegenseitig Trost spenden, wissen noch ganz genau, dass sie – jede in ihrer Wohnung – am Montag Hausarbeit zu tun hatten. „Wir hatten frei – zum Glück“, sagen sie. Beide arbeiten im Schichtdienst.

So konnten die Frauen zu Schutzengeln werden. Während die eine junge Frau Polizei und Feuerwehr alarmierte, hatte sich die andere – aufgeschreckt durch die Hilferufe – in den Hausflur getraut bis in den obersten Stock hinauf. „Plötzlich kam ein Mann vorbei. Er war völlig verdeckt und eingepackt“, kann sich die Zeugin erinnern.

Jetzt habe sie erst recht nachsehen wollen, was da geschehen ist, vor allem auch, weil sie wusste: Dort in der Wohnung ist noch ein Baby. Es habe nach Qualm gestunken. „Ich habe immer und immer wieder an die Tür gebullert“, sagt sie.

Dann sei die Tür endlich von der 69-Jährigen, die die Mutter der 33-Jährigen Mieterin und Oma des Babys ist, geöffnet worden. „Ich habe nur gesagt, sie soll mir das Baby geben“, erinnert sich die Nachbarin, die vor lauter Qualm kaum habe atmen können. Die ältere Frau habe wortlos das Baby geholt und überreicht. „Das Mädchen war völlig ruhig. Es hat nicht geweint oder geschrien“, weiß die Retterin von diesem bizarren Moment inmitten des Chaos zu berichten.

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Einen kurzen Augenblick habe sie sich noch umsehen können. So habe sie überall Glutnester gesehen und hinter der Wohnungstür habe sie die Beine der jungen Mutter liegen sehen, weswegen die Tür wahrscheinlich nur einen Spalt weit zu öffnen ging. Vermutlich völlig unter Schock habe die ältere Frau die Tür wieder geschlossen.

Dann hätten die Rettungskräfte schon vehement darauf gedrängt, das die beiden Frauen das Haus verlassen, damit die Feuerwehr freies Feld habe. „Ich habe noch schnell eine Decke von mir geholt, um darin das Baby einzuwickeln“, erinnert sich die Helferin weiter, die das Baby die ganze Zeit im Arm hatte. Später dann im Klinikum habe das kleine nur elf Monate alte Mädchen endlich in den Schlaf gefunden.

Alle haben zusammengehalten

Der besagte Mann sei den Nachbarinnen, die der Nordkurier einen Tag später antrifft, noch nie aufgefallen. Die ältere der beiden Frauen – die Großmutter – sei oft da gewesen. Sie soll aus einer Kleinstadt nahe Neubrandenburg kommen. Aber so gut würden sich die Nachbarn auch untereinander nicht kennen, sagen die beiden Helferinnen.

Auch sie beide hätten sich vorher nur vom Sehen gekannt. Jetzt geben die Frauen sich gegenseitig Halt. Vor allem aber ist ihnen die Fassungslosigkeit anzumerken, „wie so etwas in unserem Haus, in unserer Straße passieren konnte“, sagen sie. Es sei jedoch schön zu sehen, wie alle zusammengehalten hätten, „um den Frauen in der Wohnung zu helfen.“