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Revisionsprozess

Spricht jetzt der Mörder der kleinen Leonie?

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Vor zwei Jahren wurde Leonie aus Torgelow totgeprügelt. David H., der Stiefvater des Mädchens, steht nun erneut vor Gericht. Der Richter ist bekannt vom „Todesfall Sarah H.“.
Veröffentlicht:12.01.2021, 05:54

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Es war und ist ein Mordfall, der weit über die Grenzen Mecklenburg-Vorpommerns Aufsehen verursacht hat. Heute auf den Tag genau vor zwei Jahren starb die damals sechsjährige Leonie in einer Wohnung in Torgelow (Landkreis Vorpommern-Greifswald). „Leonie starb nicht an einer Krankheit. Leonie starb nicht an einem Unfall. Leonie starb durch gezielte, massive, stumpfe, mehrfache und mehrzeitige Gewalt. Kopf, Schädel, Gesicht, Oberkörper, Arme, Hüfte, Bauch, Beine – kein Körperteil war ohne Verletzungen“, begründete Richter Jochen Unterlöhner am 9. Januar 2020 mit nachdrücklicher Stimme das Mordurteil gegen David H., den Stiefvater Leonies. Und noch einen Satz donnerte Unterlöhner seinerzeit in den emotional aufgeheizten Gerichtssaal, der die ganze Brutalität der Taten von David H. zusammenfasste: „Leonie starb einsam und allein in einem kalten Zimmer.“

Vier Monate hatte das Landgericht Neubrandenburg zuvor verhandelt, fast 50 Zeugen und Gutachter gehört – das Urteil war am Ende eindeutig: Lebenslang für David H. wegen Mordes durch Unterlassen, Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Doch dieses Urteil ist nun vorerst hinfällig: Auf Antrag der Verteidiger des 28-jährigen Stiefvaters hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil einer Revision unterzogen – und festgestellt: Der Fall muss vor einer anderen Kammer des Landgerichts neu verhandelt werden. Dabei steht eine Frage im Mittelpunkt: Hat David H. das seinerzeit sechsjährige Mädchen schon am Nachmittag des Tattages am 12. Januar 2019 mit Tötungsvorsatz mit einem Sicherheitsbügel eines Kinderwagens geprügelt? Das heißt: Der BGH rügte, dass die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Neubrandenburg in ihrer Urteilsbegründung keine eindeutigen Feststellungen zum eventuellen Tötungsvorsatz des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt gemacht hatte. Dies sei jedoch – so der BGH weiter – für die rechtliche Einordnung eines anschließenden Verdeckungsmordes entscheidend.

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Richter ist bekannt vom „Todesfall Sarah H.“

Das Urteil aus dem Januar 2020 hatte die Schläge am Nachmittag des Todestages als Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Mord durch Unterlassen bewertet, da David H. am Abend des Tattages, als es Leonie aufgrund der zuvor ausgeübten Gewalt immer schlechter gegangen war, keine Hilfe geholt und einen vermeintlichen Notruf vorgetäuscht beziehungsweise dort unwahre Angaben gemacht hatte. „Das war die Verdeckungsabsicht. Er wollte verhindern, dass das Mädchen jemandem etwas erzählt“, hatte der Vorsitzende Richter Jochen Unterlöhner in seiner Urteilsbegründung betont. „Es geht jetzt in einem neuen Prozess um die rechtliche Einordnung des Tötungsvorsatzes und die damit verbundene innere Einstellung des Täters“, sagte ein Sprecher des Landgerichts. Die sonstigen Urteilsfeststellungen habe der BGH hingegen ausdrücklich als „rechtsfehlerfrei“ aufrechterhalten, so das Landgericht Neubrandenburg.

Pikanterie in der ab nächsten Dienstag beginnenden Revisionsverhandlung: Als vorsitzender Richter wird Hennig Kolf fungieren. Kolf hatte im Frühsommer vergangenen Jahres Schlagzeilen verursacht, als er im Revisionsprozess zum „Todesfall Sarah H.“ aus Alt Rehse die zunächst mehrjährige Haftstrafe gegen den ehemaligen Lebensgefährten der Frau wegen Körperverletzung mit Todesfolge in eine geringe Geldstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung umgewandelt hatte.

Im Revisionsprozess zum Mord an der kleinen Leonie sind bisher drei Verhandlungstage angesetzt worden. Als einzige Zeugin ist aktuell lediglich die leibliche Mutter des Mädchens, Janine Z., geladen. Ob weitere Zeugen gehört werden, hängt an David H. und der Frage, ob sich der verurteilte Mörder selbst oder über seine Anwälte zum Geschehen äußert. Nach Informationen des Nordkurier könnte es durchaus wahrscheinlich sein, dass sich der in der Justizvollzugsanstalt einsitzende Stiefvater zur Sache einlässt.

Unklar ist noch, wann der Prozess gegen die leibliche Mutter der kleinen Leonie beginnt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die 26-Jährige Anklage wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung erhoben. Im ersten Prozess gegen den Stiefvater hatte Z. ihren Ex-Partner David H. schwer belastet.

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