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Vom Kundenservice zur Trauerrednerin – 29-Jährige findet neue Berufung

Friedland / Lesedauer: 4 min

Mit 29 Jahren ist Jennifer Gniffke die wohl jüngste Trauerrednerin in der Region. Wie kommt eine so junge Familienmutter zu so einer schweren Aufgabe?
Veröffentlicht:17.11.2022, 11:42

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Sie hat das Autoradio voll aufgedreht. So laut, dass sie mitsingt, ohne sich dabei zu hören. Jennifer Gniffke muss den Kopf freibekommen, bevor sie die Gedanken sortiert, der Wald sich lichtet. Die Landschaft zieht an der 29-jährigen Trauerrednerin vorbei. Ein Ritual, das ihr hilft, auch wenn es nur zehn Minuten sind. Zu Hause wartet das Leben. Ihr Mann, die vierjährige Tochter. Das Haus auf dem Land.

Dort, wo Jennifer Gniffke gerade herkommt, ist ein Mensch gegangen und hat Trauernde zurückgelassen. Gegensätze und Gemeinsamkeiten. Sie war nur ein Jahr älter und auch Mutter wie sie. Das lässt sich nicht einfach abschütteln. „Jeder Mensch schreibt seine eigene, einzigartige Geschichte und jede einzelne davon ist es wert, erzählt zu werden“, sagt Jennifer Gniffke. Nachdem sie ihr Kind ins Bett gebracht hat, setzt sie sich vor das weiße Papier, geht ihre Aufzeichnungen durch und füllt die Leere der Angehörigen mit Worten.

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Wenn sie die Hinterbliebenen trifft oder sie besucht, dann nimmt sie sich so viel Zeit, wie es braucht. „Es gibt für mich dabei keinen Leitfaden. Ich möchte so viel wie möglich hören und aufschreiben. Ein Abschied muss nicht zwingend traurig sein. Man sollte sich die guten Momente hervorholen, im besten Fall sogar lachen können. Ich gehe der Frage nach, wer der Mensch war, was er gerne gemacht hat. Darum geht es in meinen Reden. Um die Persönlichkeit, nicht seinen Lebenslauf“, sagt Jennifer Gniffke.

„Da darf kein Fehler passieren“

Mit 29 Jahren ist die gelernte Kauffrau für Dialogmarketing die wohl jüngste Trauerrednerin in der Region. Diese Berufung hat sie gefunden, als ein wichtiger Menschen aus ihrem Leben ging. Zehn Jahre lang hat sie im Kundenservice gearbeitet, fühlte eine zunehmende Unzufriedenheit in dem Job.

Als dann im September vor zwei Jahren ihre Oma verstarb, hat Jennifer Gniffke viele Dinge überdacht und umgeschmissen. „Meine Oma war ein sehr wichtiger Mensch, mit der ich als Kind viel Zeit verbracht habe, weil meine Mama in der Gastronomie und mein Papa auf dem Bau gearbeitet haben“, sagt sie.

Als dann der Moment des Abschieds kam, erlebte Jennifer Gniffke eine sehr würdevolle und gute Trauerfeier und erkannte darin auch für sich selbst eine sinnvolle Aufgabe. „Ich bin ein sehr empathischer Mensch, musste im Job aber immer nur die Zahlen im Blick behalten. Die Kollegen blieben teilweise auf der Strecke. Dann sah ich, was man für die Hinterbliebenen als Trauerrednerin tun kann und wie viel Dankbarkeit man zurückbekommt“, erzählt Jennifer Gniffke.

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Sie meldete sich für einen Kurs als Freie Rednerin mit IHK-Prüfung an und arbeitete zunächst nebenberuflich als Rednerin. Vor Menschen zu sprechen, kannte sie aus ihrem Beruf und hatte davor keine Angst. Nach den ersten Aufträgen bei Hochzeiten übernahm sie auch eine Trauerrede.

„Ich hatte davor großen Respekt”

„Ich hatte davor großen Respekt, denn von einem Menschen kann man sich nur einmal verabschieden. Da darf kein Fehler passieren. Außerdem war ich mir auch etwas unsicher, wie sehr mich die Situation mitnimmt und ob ich meine eigenen Emotionen unter Kontrolle habe, wenn die Angehörigen ihre Trauer zeigen“, sagt die junge Rednerin. Gute Vorbereitung und sich im Moment der Aufregung genau dies bewusst machen, sei ein guter Weg sagt sie nach mittlerweile über 40 Trauerreden.

Das Bestattungshaus Sandra Filinski in Neubrandenburg war einer ihrer ersten Anlaufpunkte, als Jennifer Gniffke sich entschloss, ihrer Berufung zu folgen. Die Chemie zwischen Sandra Filinski und Jennifer Gniffke stimmte sofort. Sie unterstützte sie und bot ihr eine Anstellung in ihrem Bestattungshaus an. „Ich bin Frau Filinski für Ihre Hilfe, die Unterstützung und das Vertrauen, das Sie mir schenkte, sehr dankbar“.

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Der Beruf macht ihr Spaß, auch wenn es Momente gab, wie die Beerdigung eines Babys, wo es ihr schwerfiel, sich vom Mitgefühl nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. „Dann muss man sich darauf konzentrieren, den Angehörigen zu helfen. Und wenn dann doch eine Träne über die Wange kullert, ist das in Ordnung“, sagt Jennifer Gniffke.