StartseiteRegionalNeustrelitzAusreißer-Hund starb nach 100-Kilometer-Odyssee

Tot im Abwasserschacht

Ausreißer-Hund starb nach 100-Kilometer-Odyssee

Mirow / Lesedauer: 4 min

Ein toter Hund lag in einem Abwasserschacht bei Mirow. Gentle wurde aus Moskau gerettet und hatte sich wohl auf den langen Weg zurück nach Russland gemacht. Nach mehr als 100 Kilometern fand seine Reise jedoch ein jähes Ende.
Veröffentlicht:17.01.2018, 13:49

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Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass Hunde über weite Distanzen hinweg nach Hause finden. Auch Gentle aus Moskau wollte offenbar zurück. Am Wochenende wurde er jedoch tot in einem Abwasserschacht im Mirower Ortsteil Diemitz (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) gefunden. Die Besitzerin des Hundes konnte vom Verein „Tote Hunde e.V.” ausfindig gemacht werden. Simone L. erzählte uns die außergewöhnliche Geschichte, die hinter diesem Tier-Drama steckt.

Sie hatte Gentle, so hieß der Hund, von einem Tierschutzverein aus Moskau geholt. Der „Tierschutzhunde Russland e.V.” kauft Hunde aus staatlichen Tierheimen frei und gibt verwahrlosten Straßenhunden Obdach. Zwar bekämen staatliche Tierheime in Russland finanzielle Unterstützung, aufgrund von Korruption käme davon aber nur sehr wenig bei den Tieren an. Daher sind die Zustände in den staatlichen Tierheimen oft besorgniserregend.

Gentle war ein „Angsthund”

Simone L. hatte sich vor der Entscheidung, Gentle nach Deutschland zu holen, lange mit dem Verein und dessen Arbeitsweise beschäftigt. Sie hat schon einen älteren aber noch sehr fitten Dackel von einer Frau übernommen, die ins Altersheim ziehen musste. Gentle sollte ihm ein neuer Weggefährte werden und außerdem einen schönen Lebensabend in Deutschland verbringen dürfen.

Hier angekommen stellte sich schnell heraus, dass er zwar lieb und ohne Aggressionen war, jedoch als sogenannter „Angsthund” besonderer Aufmerksamkeit bedurfte. Gentle fürchtete sich vor allem vor Männern, sogar dem 14-jährigen Sohn der Familie. Dennoch lebte er sich gut bei der Familie ein und zeigte sein Zutrauen.

Suche nach dem Hund hatte keinen Erfolg

Nach 14 Tagen, am 20. Oktober 2017, wollte sich die Mutter der Besitzerin den Familienzuwachs ansehen. Beim Begrüßungsdurcheinander in der Küche entwischte er ihr jedoch durch die Beine nach draußen. Da sie frisch an den Beinen operiert war, hatte sie keine Chance, ihn aufzuhalten.

Alle Versuche, den Hund wiederzufinden, schlugen fehl. Wochenlang suchte die Familie nach Gentle, schaltete auch das Haustierzentralregister Tasso ein, welches Suchmeldungen schaltete und Plakate drucken ließ. Gentle war aber wie vom Erdboden verschluckt.

Erst am 13. Januar 2018 fand eine Spaziergängerin den Hund tot in einem Abwasserschacht – und zwar im weit entfernten Diemitz. Um hierher zu gelangen, muss er nicht nur die Elbe, sondern mindestens auch die A24 überquert haben. Welche genaue Route er genommen hat, ist nicht bekannt. Mehr als 100 Kilometer war er aber auf jeden Fall unterwegs.


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Wie finden Hunde nach Hause?

Simone L. vermutet: „Wenn er mal nicht wieder zurück nach Moskau wollte...” Er wäre nicht der erste Hund, der große Strapazen auf sich nimmt, um wieder nach Hause kommen. So legte Pero aus Wales fast 400 Kilometer zurück, um zu seinem Geburtsort zu gelangen. Zuco wanderte von Serbien bis nach Zagreb in Kroatien.

Außerdem ist nachgewiesen, dass Hunde das Magnetfeld der Erde wahrnehmen können. Dennoch bleibt es rätselhaft, wie Hunde sich über so weite Strecken orientieren. Gentle war in die richtige Richtung gelaufen, bis zur russischen Hauptstadt Moskau hätte er aber noch weitere 2000 Kilometer zurücklegen müssen.

Neben der Fundstelle lag Hundefutter

Ebenfalls ein Rätsel bleibt, warum rund um den Abwasserschacht Hundefuttertüten gefunden wurden. Entweder hat sich Gentle die Nahrung selbst zusammengesammelt und an den Ort geschafft. Oder er wurde von Jemandem versorgt, der ihn in dem Schacht gefunden hatte. Dies hält Simone L. aber für unwahrscheinlich. Denn wer sich so um ein Tier kümmert, der hätte auch Hilfe geholt.

Am Samstag will Simone L. mit dem Auto nach Diemitz fahren, um Gentle abzuholen. Vorerst möchte sie sich keinen neuen Hund anschaffen. Ihre Familie ist allerdings schon jetzt skeptisch, wie lange diese Aussage Geltung haben wird.