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Mühlenbach

Künstlerin fassungslos am Mühlenbach

Bergfeld / Lesedauer: 3 min

Verband lässt Wasserlauf ausbaggern - Pleinair­Kurator fordert anderes Naturverständnis
Veröffentlicht:31.08.1999, 09:54
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"Verschiedene Menschen haben keine gemeinsame Ebene gefunden", brachte es gestern Regina Sendel, Bürgermeisterin der Gemeinde Carpin, auf den Punkt. Anspruch und Wirklichkeit sind kollidiert. Auf der einen Seite steht Ute Poeppel, Teilnehmerin des achten Künstler­Pleinairs am Müritz­ Nationalpark. Sie baut bei Bergfeld unter einer 300jährigen Eiche ein "Bett im Bach", einen Platz, wo sich der Wanderer ausruht und die Natur wahrnimmt. Auf der anderer Seite steht der Wasser­ und Bodenverband Obere Havel, der verpflichtet ist den Mühlenbach zu unterhalten, das heißt auch, ihn zu entschlammen.

Das wurde am Freitag getan - ein Bagger war dazu angerückt - und nun steht Ute Poeppel fassungslos vor dem Ergebnis. Der Bachschlamm hat das Gras an den Ufern gegenüber der Eiche und unterhalb der Brücke begraben. "Ich hatte den Naturschutz und die Kunst im Auge", sagt Ute Poeppel über das Gespräch mit Vertretern der Behörde in der vergangenen Woche. Im Vorfeld des Pleinairs in Gesprächen mit der Naturschutzbehörde sei ihr klar geworden, wie sensibel das Gebiet im Naturpark "Feldberger Seenlandschaft" ist. Es sei Lebensraum für den Biber, der seit ein paar Jahren im Grünower See lebt, und für Fischotter. Ein Eisvogel schaut häufiger vorbei. Die Künstlerin änderte ihr Konzept, um keine Pfähle in den Wurzelbereich der alten Eiche einzuschlagen. Aus der "Liegebrücke" über den Wasserlauf wurde das "Bach­Bett". Der Besucher soll sich auf die Natur einlassen und mit den Sinnen wahrnehmen. "Das hatte ich erklärt. Hat man mich nicht verstanden, nicht ernst genommen oder ignoriert?", fragt sie.

Die Aufregung kann Reinhard Reimann, Geschäftsführer des Wasser­ und Bodenverbands, nicht begreifen. Nach dem Gespräch habe er geglaubt, das Ausbaggern sei das, was allen Wünschen am nächsten komme, sagt er verwundert. Der Bach sei versandet und beim nächsten starken Regen hätte das Wasser auch das Kunstwerk weggeschwemmt, ist er überzeugt. Hätte man den Wasserlauf später entschlammt, hätte man dafür auch das Kunstwerk entfernen müssen, sagt er. Dass der Bach trotz des Aushubs nicht fließt, liege an dem verstopften Durchlass unter der Brücke. Das würde geändert, die Arbeit werde ausgeschrieben, so Reimann.

Langfristig schonen

"Dahinter steht ein unterschiedliches Naturverständnis", meint Sven Domann, Kurator des Plenairs. Er plädiert für einen sensiblen Umgang mit der Natur. Die Kunstwerke sollen ein Zeichen setzen "für das achtsame Verhalten des Menschen in diesem unwiederbringlichen Lebensraum", so steht es im Konzept des Pleinairs am Müritz­Nationalpark. Mit Blick auf die Ausbaggerung fragt er: "Ist diese ÇKomplex­ Meliorationë noch zeitgemäß? Und ist das nur die Spitze vom Eisberg?"

Ute Poeppel, die nach der Bagger­ Aktion abreisen wollte, überlegt inzwischen ihr "Bach­Bett" zu vollenden. Der Vorfall werde sich auf jeden Fall auf das Konzept des Pleinairs auswirken, sagte Domann. "Wir werden in der nächsten Ausschreibung festlegen, dass für die Kunstwerke die Erde nicht verletzt wird, dass keine Krantechnik zum Aufstellen benutzt wird." "Wir wollen die Natur langfristig schonen, und zwar konsequent", sagt der Kurator und lenkt ein: "Vielleicht ist das zu konsequent. Aber die Kunst darf überspitzen." Neben dem "Bach­ Bett" entstehen in diesem Jahr sechs weitere Kunstwerke.s. S. 14: Bericht

Ute Poeppel bindet Stroh für ihr "Bach­Bett", das am Mühlenbach bei Bergfeld entstehen soll. Fotos (2): A. WiekingDie Idylle am künftigen "Bach­Bett" ist zerstört, meinen Bürgermeisterin Regina Sendel und Kurator Sven Domann. Der Wasser­ und Bodenverband hat den Bach entschlammen und den Schlamm am Ufer verteilen lassen.