StartseiteRegionalNeustrelitz▶ Legt Corona den Windrad-Bau in der Region lahm?

Nordex-Misere

▶ Legt Corona den Windrad-Bau in der Region lahm?

Neustrelitz / Lesedauer: 4 min

Die erneuerbaren Energien wurden eigentlich als krisenfest gefeiert. Da überraschte das Hilfegesuch von Windrad-Bauer Nordex doch plötzlich sehr.
Veröffentlicht:18.08.2020, 07:44

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Dass ausgerechnet ein so erfolgreicher Windrad-Bauer wie Nordex durch die Corona-Krise in Schieflage geraten konnte, sorgte auch in der Mecklenburgischen Seenplatte für Erstaunen. Immerhin schmückt die Aufschrift des Rostocker Unternehmens Windräder im ganzen Nordosten, zum Beispiel wie bei Friedland, Iven oder Postlow. Und für die Branche der erneuerbaren Energien ging es jahrelang nur aufwärts.

Trotz allem musste die Firma ihre Verluste erst kürzlich nach oben korrigieren. Das Unternehmen musste um Staatshilfe in dreistelliger Millionenhöhe bitten und bekam sie letztlich auch zugesprochen.

Schränkt die Corona-Krise die Energiewende hierzulande also sehr viel mehr ein, als anfänglich zugegeben wurde? Einige Windkraft-Gegner wehren sich vehement gegen solche Einschätzungen. Aus Sicht des Aktionsbündnisses Freier Horizont wird die Corona-Krise von der Rostocker Firma gar dazu genutzt, um von den eigentlichen Problemen der Energiewende abzulenken: „Unserer Ansicht nach liegt die Ursache keinesfalls bei Covid-19 und den damit verbundenen Einschränkungen. Diese können die durch Gesetz einigermaßen krisensichere Windindustrie nur am Rande betreffen. Wir sehen die Ursache eher darin, dass die verfehlte Politik der Energiewende schon längst an ihre Grenzen stößt und einige der Profiteure davon betroffen sind“, heißt es in einer Mitteilung der Partei.

Hier gibt es mehr Infos zum Coronavirus.

Ministerium sieht keine Verzögerungen

Und tatsächlich: Nordex-Projekte, die durch die Krise gestoppt wurden, sind dem Energieministerium in den östlichen MV-Landkreisen nicht bekannt. Auch die Planung von Eignungsgebieten wurde durch die Pandemie nicht beeinflusst. „Stand heute kam es dabei zu keinen Corona-bedingten Verzögerungen“, so Elgin Förster aus dem Energieministerium. Selbst der Geschäftsführer der Landesenergie- und Klimaschutzagentur Mecklenburg-Vorpommern (Leka) mit Sitz in Stralsund und Neustrelitz, Gunnar Wobig, vermutet, dass langwierige Genehmigungsprozesse ein größeres Hindernis darstellen als die Pandemie.

Die Nordex-Führung begründet die Schieflage auf Anfrage denn auch eher mit der weltweiten Verstrickung des Unternehmens. Einzelne Produktionsstätten mussten laut Angaben des Unternehmens temporär schließen oder liefen nur mit eingeschränkter Kapazität. Zudem wurden Zulieferketten unterbrochen: „Staatliche Lock-Downs und Reise-Einschränkungen haben auch im Bereich Logistik und Installationen zu Verzögerungen geführt“, so Sprecherin Antje Eckert.

In ähnlicher Weise wird vonseiten des MV-Energieministeriums die Gewährung von Hilfen verteidigt. „Die Firma Nordex hat einen hohen Exportanteil. Aus diesem Grund ist sie besonders von den Lockdown-Maßnahmen anderer Staaten betroffen“, so Ministeriumssprecherin Elgin Förster. Darüber hinaus seien spezielle Transportkapazitäten nur schwer zu bekommen. „Aktuell werden die Risiken von Projekten auch von den finanzierenden Banken besonders intensiv geprüft, so dass in Einzelfällen auch aus diesem Grund Verzögerungen möglich sind.“

Hier ein Video zum Thema "Genehmigung von Windeignungsgebieten"

Gestörte Lieferketten als großes Problem

Von diesen Schwierigkeiten weiß auch ein weiteres Windkraft-Unternehmen aus der Nachbarschaft zu berichten: „Erschwert wird der Bau von Energieanlagen, weil internationale Lieferketten nicht mehr so problemlos funktionieren wie vor der Krise“, so Matthias Philippi, Sprecher der Enertrag Aktiengesellschaft mit Sitz in der Uckermark. Selbst Gutachten könnten zum Teil nicht erstellt werden, weil nötige Spezialisten die Landesgrenzen nicht frei passieren könnten. Service-Techniker hätten mitunter keine Möglichkeit, Windräder im Ausland zu reparieren.

Der Bau von Windrädern in der Region sei sehr wohl eingeschränkt, heißt es bei Enertrag. Schließlich hätten Behörden regelmäßig die Auslegung von Unterlagen verschoben, weil Amtsgebäude geschlossen wurden. „Die zum Teil deutlichen Verzögerungen bei der Planung sind für unser Unternehmen natürlich mit Kosten verbunden.“

Damit bezieht sich Philippi nicht auf bereits genannte Planungsverfahren für Eignungsgebiete, sondern spricht die nachfolgende Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz an. Denn dort lassen sich Verschiebung sehr wohl nachverfolgen – auch in der Region. So wurde jüngst ein Erörterungstermin für den Bau einer Windenergieanlage in Göslow in Vorpommern abgesagt.

Allerdings macht Philippi ebenso klar: „Hauptsächlich stellt uns der zu niedrige Ausbau von Windenergie an Land vor Herausforderungen.“ Wenn Genehmigungshürden nicht schnellstmöglich abgebaut würden und der Weg für eine nachhaltige Wirtschaft für die Zeit nach Corona geebnet werde, „droht der Verlust zahlreicher Arbeitsplätze.“