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Handgemacht

Mecklenburger Äpfel für englischen Cider

Diemitz / Lesedauer: 4 min

Tobias Müller-Deku betreibt sein kleines Gewerbe mit Leidenschaft: Seit etwa zwei Jahren produziert der Berliner Anwalt in Diemitz seinen Cider – eigenhändig, von vorn bis hinten.
Veröffentlicht:03.06.2017, 11:00

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„Hier beginnen die Herbstdinge“, sagt Tobias Müller-Deku und deutet durch den kleinen Raum im alten Stall seines Diemitzer Grundstücks. Das Dach durchziehen Balken aus Holz, am Boden stehen Geräte aus Edelstahl, vor dem weit geöffneten Tor sprießen Gänseblümchen aus der saftigen Wiese. Hier produziert der Anwalt aus Berlin seinen eigenen Cider aus mecklenburgischen Äpfeln – und auf „die Herbstdinge“, auf die kommt es an bei Äpfeln. Und in der Apfelwein-Herstellung.

„Das hier ist eine Rätzmühle“, sagt Müller-Deku und zeigt auf ein trichterartiges, mehr als zwei Meter hohes Gebilde. Jetzt steht sie still und sauber da, im Herbst aber, nach der Apfelernte, ist sie in Hochbetrieb: „Da werden die Äpfel zerhäckselt, die Maische fällt dann hier rein, das ist eine österreichische Korbpresse.“ Mittels Hydraulik, erklärt er, werde der Saft aus der Maische gepresst, durch ein Leinentuch. Aus 80 bis 90 Kilogramm Äpfeln gewinne er 60 bis 70 Liter Saft. „Ein Pressvorgang dauert nicht länger als 20 Minuten“, so Müller-Deku. „Das geht flott.“

Im Fass rauscht der Alkohol

Weiter geht es weniger flott. Die Cider-Produktion erfordert zahlreiche Schritte, Müller-Deku kann sich für jeden Einzelnen begeistern – der freundliche Mann mit der Goldrand-Brille hat Freude an seinem kleinen Gewerbe. Zunächst komme der Saft ins Gärfass, davor bestimme er den Zuckergehalt, der sei relevant für den Alkoholgehalt. „Acht bis neun Prozent sind mein Ziel.“ Anschließend setze er die Hefe hinzu. „Nach ein, zwei Tagen geht das richtig los“, sagt er. „Wenn man das Ohr ans Fass legt, hört man es richtig rauschen.“ Das entstehende Kohlendioxid entweiche über ein Spezialventil. „Sonst würde mir das Fass explodieren. Mit Hefe ist nicht zu spaßen.“

Nach etwa zwei Wochen, fährt er fort, sei Alkohol entstanden, der Cider wandere dann in die Lagerfässer, dort bleibe er drei Monate für die Nachvergärung, währenddessen setze sich die restliche Hefe ab. „Dann habe ich schon einen ziemlich klaren, aber ziemlich sauren Cider“, so Müller-Deku. „Der ist knochentrocken.“ Ein wenig Apfelsaft bringe die Süße zurück, anschließend werde der Apfelwein gefiltert, in ein Druckfass gefüllt und mit Kohlensäure versetzt. Die Flaschen befüllt und verkorkt er per Hand, mit einem speziellen Gerät. Zuletzt die Pasteurisierung: Bei 62 Grad verbringen die Flaschen 30 Minuten im Wasserbad. Der gebürtige Kölner hat sich eingearbeitet in die Materie, und er scheint fasziniert davon. „Das“, sagt er staunend, „sind alles noch Prozesse aus der Zeit, wo man gar nichts über Mikrobiologie wusste.“

Ein Kurs in England bringt können

Vor etwa zwei Jahren belegte er einen zweiwöchigen Kurs in England, danach versuchte er sich in Eigenregie am Apfelwein. „Viele Experimente, vieles schief gegangen“, erinnert er sich schmunzelnd. Seine Frau Heike grinst: „Auch die einfachen Handgriffe wollen geübt sein.“ Die beiden sitzen auf der Bank vor ihrem Haus von 1882, Ellenbogen auf der Lehne, goldgelber Cider im Glas. In die Gegend verliebten sie sich während eines Urlaubs, das Haus kauften sie vor 15 Jahren. Zwischenzeitlich lebten sie in Moskau und Saudi-Arabien. In England ging Müller-Deku in die Oberstufe, lange Zeit arbeitete er für eine englische Firma. „Und in England“, sagt er lachend, „gibt es ja keine Kneipe ohne Cider.“

Hinter dem Ehepaar fällt das Grundstück sanft zum Vilzsee ab, insgesamt stehen hier rund 30 Apfelbäume, viele noch jung. Eine ganze Plantage will Müller-Deku nicht. „Hier in der Gegend gibt es ja so viele Apfelbäume“, sagt er, so sei er auf die Idee mit dem Cider gekommen. Sein Ansatz sei kooperativ: Im letzten Produktionszyklus stammte die eine Hälfte der Äpfel von ihm, die andere von Menschen, die für ihre Äpfel keine Verwendung hatten, hauptsächlich Diemitzer und Schwarzer. „Da fahr ich dann hin und sammel die ein“, erzählt Müller-Deku. „Ich mach sozusagen den Garten sauber.“ Einige Menschen brächten ihre Äpfel auch zum Pressen vorbei, im Gegenzug darf er ein wenig Saft für seine Produktion behalten.

Die Nachfrage nach dem Cider aus heimischen Äpfeln läuft gut, die elegant gestalteten Flaschen vertreibt Müller-Deku unter anderem über den Bio-Laden in Zempow und die neue Diemitzer Gaststätte „Regolin am See“. Im Keller drängen sich nur noch einige Flaschen auf einer Bierbank. „So langsam verschwinden die“, sagt Müller-Deku. „Hier war alles voll.“ 1000 Flaschen hatte er abgefüllt. „In diesem Jahr hoffe ich das zu verdoppeln.“