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Rentnerin räumt auf

Neustrelitzer Auto-Notizen für mehr Miteinander

Neustrelitz / Lesedauer: 2 min

Mit kleinen Zettel-Nachrichten bittet Ingrid Rutkowski in Neustrelitz sorglose Autofahrer täglich um mehr Rücksichtnahme.
Veröffentlicht:25.03.2019, 05:45

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Auch an diesem Morgen verteilt Ingrid Rutkowski in Neustrelitz wieder fleißig Notizen auf Autos, die sorglos zwei Parkplätze in Beschlag nehmen. Aber nicht aus Ärger auf dreiste Autofahrer – die älteste Bewohnerin der Twachtmannstraße will nur um mehr Rücksichtnahme bitten. „Denkt auch an eure Mitmenschen!“, appelliert die 85-Jährige an die Neustrelitzer.

In ihrer Straße verkehren täglich viele Fahrzeuge. Doch auf vielen der beliebten Parkplätze würde locker noch ein weiteres Auto Platz finden – stünden die Wagen nur etwas weniger Abstand nebeneinander. „Das ist nur Bequemlichkeit, um sich aufwendiges Rangieren zu sparen“, sagt Rutkowski, die trotz ihrer Arthrose in Bein und Knie von ihrem selbstgewählten Auftrag nicht ablässt.

„Ganze Mitmenschlichkeit geht verloren”

Denn diese Unsitte markiere einen Schritt in die falsche Richtung – ebenso wie das immer seltener gewordene, gegenseitige Grüßen oder Bedanken. „So geht die ganze Mitmenschlichkeit verloren“, bedauert Rutkowski. Ganz anders als zu DDR-Zeiten: „Dort waren wir aufeinander angewiesen“, sagt die Neustrelitzerin. Die Menschen seien heute mit nichts mehr zufrieden. Bescheidenheit würden viele nicht mehr kennen. „Mir tut es leid, dass es so rau geworden ist.“

Nur weil die Rentnerin immer gesagt habe, was sie störe, habe sie ihre bewegtes Leben meistern können. Schon 60 Jahre wohnt Ingrid Rutkowski in Neustrelitz. Als die damalige Spielstraße neu hergerichtet wurde, brachte Rutkowski den Arbeitern nach eigener Aussage regelmäßig Waffeln und Kaffee. Als die Handwerker laut Rutkowski ihren nächsten Auftrag in Waren an der Müritz entgegentraten, hätten sie die Neustrelitzerin am liebsten mitgenommen.

Ihr Leben lang arbeitete sie als Telefonistin – erst beim Fernamt, später bei der Telekom. Für ihre Kollegen im Rentenalter hat sie lange Jahre Veranstaltungen und Geburtstagsfeiern organisiert – auch in Mirow, Wesenberg oder Carpin. Doch nach dem Tod ihres Mannes gab Ingrid Rutkowski schließlich ihr Auto ab. Doch ihre vier Kinder, neun Enkel und drei Urenkel halten die 85-Jährige laut deutlichem Bekunden ständig auf Trab. „Einsam bin ich nie gewesen“, sagt Rutkowski.

Laubharken mit Eimer und Rollator

Und nie ohne Tatendrang: „Ich bin stolz darauf, dass ich meine Wohnung noch selbst sauber halten kann“, sagt Rutkowski. Nur auf eine Leiter steigen, um die Fenster zu putzen, könne sie nicht mehr. Dafür harke sie Laub noch immer selbst – mit Eimer und Rollator.

Die Frau aus Neustrelitz schreibt übrigens nicht nur im Dienste ihrer Mitmenschen an rücksichtslose Autofahrer. Denn Ingrid Rutkowski hat bereits ihr ganzes Leben festgehalten – auf immerhin 38 Seiten.