Corona-Pandemie

Droht uns jetzt die vierte Corona-Welle?

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Die indische Doppelmutation breitet sich rasend schnell in Europa aus, auch in Deutschland nimmt sie immer weiter zu. Selbst bereits immunisierte Personen stecken sich an.
Veröffentlicht:14.05.2021, 12:57
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  • Author ImageCarsten Korfmacher
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In der Corona-Pandemie steht Deutschland womöglich eine vierte Welle bevor. Denn derzeit nimmt die Verbreitung der indischen Doppelmutation richtig Fahrt auf. Die Variante breitet sich derzeit in Großbritannien rasend schnell aus, trotz der schon deutlich fortgeschrittenen britischen Impfkampagne. Das Problem im Vereinigten Königreich: Zum einen pflegt Großbritannien aus historischen Gründen enge Kontakte nach Indien und hat demzufolge auch deutlich mehr Personenverkehr zwischen den Ländern.

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Zum anderen gilt eine Untergruppe der indischen Mutation, die auf der Insel stark verbreitet ist, als besonders gefährlich: Während die WHO die indischen Varianten B.1.617.1 und B.1.617.3 noch als „Beobachtungsobjekte” einstuft, gilt die sogenannte Unterklade B.1.617.2 nun als „globale Bedrohung”. Sie breitet sich deutlich schneller aus als die beiden anderen Varianten.

Indische Variante in London wohl bald dominant

In den vergangenen Wochen hat sich das Vorkommen der Untergruppe in Großbritannien jede Woche grob verdoppelt, obwohl die Gesamtinzidenz stetig sinkt. Und auch in Deutschland wird die Situation bedrohlicher: Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass sich die indische Unterklade zwar erst in einem Prozent aller Proben wiederfindet. Allerdings sei ihr Anteil in einem ähnlichen Tempo angestiegen wie im Vereinigten Königreich.

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Die Entwicklung in Deutschland fände zeitverzögert statt, Großbritannien sei etwa zwei Wochen voraus. Die Epidemiologin Deepti Gurdasani von der Queen Mary University of London sagte der britischen Tageszeitung „The Guardian”, dass die indische Variante bereits Ende Mai oder Anfang Juni die dominante Variante in London werden könnte.

Lauterbach warnt vor vierter Welle

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warnt bereits vor einer womöglich durch die indische Mutante ausgelösten vierten Welle im Herbst. „Wir haben die Variante am Anfang unterschätzt, weil davon auszugehen war, dass sie es nur aufgrund der Gegebenheiten in Indien so leicht hat und sich so massiv ausbreitet”, sagte Lauterbach der Rheinischen Post. „Um eine vierte Welle im Herbst zu verhindern, müssen wir Vorkehrungen insbesondere für Reiserückkehrer treffen.”

Besonders besorgniserregend sei für ihn die Möglichkeit, dass sich die indische mit der südafrikanischen Variante kreuze: „Wir müssen unbedingt vermeiden, dass sie sich mit der südafrikanischen Variante B.1.351 kombiniert, die sich noch stärker der Immunantwort der Impfstoffe entziehen kann. In Indien ist die Fallzahl so hoch, dass solche Mutationen entstehen könnten”, so Lauterbach.

Drosten gibt Entwarnung – vorerst

Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité allerdings erwartet zunächst keine Fortsetzung des rasanten Anstiegs der indischen Mutation. Paradoxerweise liegt das an der immer noch nicht sehr weit fortgeschrittenen Impfkampagne in Deutschland. Der Anstieg in Großbritannien ginge nämlich, so Drosten, auf die Fähigkeit der indischen Mutante zur sogenannten „Immunflucht” zurück: Von Immunflucht spricht man bei einer Virusvariante, wenn sie sich der Abwehrreaktion des Immunsystems entziehen kann, indem sie entweder nicht erkannt wird oder die Immunisierung durchbricht.

Wenn nun eine Gesellschaft zu großen Teilen immunisiert ist, dann steigt natürlich der Teil der Virusvarianten, der sich der Immunisierung entziehen kann, relativ zu den anderen Varianten an. In Deutschland ist das allerdings noch nicht der Fall, weswegen vorerst auch kein größerer Effekt durch die indische Mutation zu erwarten sei, so Drosten.

Ausbruch trotz Impfung in Pflegeheim

Dass die Untergruppe B.1.617.2 zur Immunflucht fähig ist, beweist sie immer wieder, zuletzt bei einem Ausbruch in einem Pflegeheim in London. Dort hatten sich 15 vollständig mit dem AstraZeneca-Impfstoff immunisierte Bewohner mit der Variante infiziert. Vier von ihnen mussten gar mit Symptomen behandelt werden, allerdings blieben schwere oder tödliche Verläufe aus.

Und so mehren sich die Warnungen aus der Wissenschaft bezüglich der indischen Corona-Variante. Deutschland stünde „inzwischen hinter dem Vereinigten Königreich und den USA auf Platz drei hinsichtlich der Zahl der durchgeführten Virussequenzierungen pro Woche”, bemerkt Joachim L. Schultze, Direktor des Forschungsbereichs Systemmedizin am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen.

Bedeutet: Außerhalb Indiens breitet sich die Variante in diesen drei Ländern ganz besonders stark aus. „Es gilt deshalb weiterhin allerhöchste Vorsicht”, so Schultze weiter. Er rät, die Impfkampagne weiter zu beschleunigen, insbesondere unter den 12- bis 15-Jährigen, und alle noch bestehenden bürokratischen Hürden schnellstmöglich fallen zu lassen.