Rundfunkbeitrag

GEZ-Verweigerer sitzt seit Wochen im Gefängnis

Münster / Lesedauer: 4 min

Ein Mann aus Nordrhein-Westfalen sitzt seit Ende Februar in Erzwingungshaft, weil er Schulden bei ARD und ZDF hat. Das Vollstreckungsverfahren wird zunehmend zum Imagedesaster für den WDR.
Veröffentlicht:09.04.2021, 06:52
Aktualisiert:06.01.2022, 21:44

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Der 25. Februar 2021 ist der Tag, an dem es Georg T. hat drauf ankommen lassen. Dabei hatte sich die Schlinge schon vorher Stück für Stück zugezogen. Was war geschehen? Georg T. hat vor über zehn Jahren Fernseher und Radio abgeschafft und sieht nicht ein, warum er trotzdem TV-Gebühren zahlen soll. Mit der Umstellung der Gebühren auf eine Abgabe für jeden Haushalt rückte er ins Fadenkreuz der Gebühreneintreiber. Vor fünf Jahren begannen die vergeblichen Versuche der Vollstreckungsbehörde der Stadt Borken, die nicht gezahlten Rundfunkbeiträge per Zwang einzutreiben.

Wegen 651,35 Euro verhaftet

Das Finale folgte an jenem 25. Februar mit Ansage, wie sich zahlreichen Quellen entnehmen lässt: Zwei Wochen vor diesem Tag fordert eine Gerichtsvollzieherin des Amtsgerichts Borken Georg T. schriftlich auf, sich um 10 Uhr in seiner Wohnung aufzuhalten. Erklärter Zweck ist seine Verhaftung. „Im Anschluss an die Verhaftung erfolgt Ihre Einlieferung in die JVA Münster”, heißt es in dem Schreiben weiter.

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Der Säumige habe es noch in der Hand das zu verhindern: Entweder durch sofortige Zahlung von 651,35 Euro an ausstehenden Gebühren oder Abgabe der Vermögensauskunft. Beides schlägt Georg T. aus Prinzip ebenso aus die Möglichkeit, Beiträge stunden oder sich unter Umständen von der Zahlungspflicht befreien zu lassen. Georg T. lässt sich ohne Widerstand verhaften.

WDR steckt hinter Aktion

Auftraggeber der Aktion ist jedoch nicht die Stadt Borken. Betrieben wird die „Zwangsvollstreckungssache” vom öffentlich-rechtlichen Westdeutschen Rundfunk Köln, wie sich dem Schreiben der Gerichtsvollzieherin entnehmen lässt. Georg T. ist mit seiner Zahlungsverweigerung kein Einzelfall. Laut aktuellem Jahresbericht des „Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandfunk”, wie die umbenannte GEZ heute heißt, befanden sich 2019 fast 3,6 Millionen Haushalte oder Betriebe auf Kollisionskurs mit den Gebühreneintreibern, die ihren Job inzwischen höchstrichterlich abgesegnet machen.

Die Eskalationsstufe der Maßnahmen ist lang: Der Zahlungserinnerung folgt bei Nichtbefolgen der Festsetzungsbescheid mit Säumniszuschlag. Danach erfolgt eine weitere Mahnung mit Hinweis auf die drohende Vollstreckung. Durch Widersprüche können Betroffene das Verfahren in seinen verschiedenen Stufen verzögern. Bleibt der Schuldner hartnäckig, droht die Erzwingungshaft. Dieses dramatische Ende des erfolglosen Mahnverfahrens lässt der „Beitragsservice” in seiner Selbstdarstellung allerdings aus.

Blick hinter die Kulissen des Senders

Das Schicksal von Georg T. weckt Erinnerungen an einen ähnlichen Fall aus Thüringen aus dem Jahr 2016. Die Beitragsverweigerin Sieglinde B. saß rund zwei Monate in Erzwingungshaft ohne klein beizugeben. Schließlich machte der zuständige Mitteldeutsche Rundfunk als Auftraggeber einen Rückzieher. In einem Schreiben an den Wartburgkreis zog der Sender seinen Antrag auf Vollzug des Haftbefehls zurück. Die Haft sei „im besonderen Einzelfall nicht erfolgversprechend und daher nicht länger angemessen”, hieß es.

Zu einem solchen Rückzieher konnte sich der Westdeutsche Rundfunk noch nicht durchringen, obwohl die Zahl der Unterstützer von Georg T. ebenso wächst wie der Druck aus sozialen Medien. Inzwischen werden auch Spenden gesammelt. Fast tagaktuell wird die Lage von Georg T. dokumentiert – samt Reaktionen des WDR und dessen Rundfunkrats als Kontrollgremium. So bleiben auch Stellungnahmen erhalten, die einen Blick hinter die Kulissen des Senders erlauben. In der Verwaltungsetage ist Georg T. demnach ein Topthema.

WDR stockt Forderung noch auf

Auf Nordkurier-Nachfrage will der Sender den Fall weder bestätigen noch dementieren. Zu konkreten Fällen könne keine Auskunft gegeben werden. Grundsätzlich gelte: „Schuldner*innen können in Erzwingungshaft genommen werden, wenn sie sich gegenüber einer Vollstreckungsbehörde ohne Grund weigern, ihr Vermögen offenzulegen.” Die Erzwingungshaft sei eine gesetzlich geregelte Maßnahme, von der eine Vollstreckungsbehörde Gebrauch machen könne, erklärt der Sender weiter. Es gebe für den Rundfunkbeitrag keine Sonderregeln oder Ausnahmen. Auch bei anderen öffentlichen Abgaben könne am Ende einer Vollstreckung die Erzwingungshaft stehen – etwa bei nicht bezahlten Müllgebühren, nicht bezahlter Strafzettel und Steuerschulden. Die Vollstreckungsbehörden handelten eigenständig und seien nicht verpflichtet, die Rundfunkanstalt als Gläubiger zu informieren oder Vollstreckungsmaßnahmen wie die Erzwingungshaft abzusprechen.

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In diesem Duktus ist auch das Schreiben gehalten, mit dem sich der WDR am 12. März auf die Bitte des inhaftierten Georg T. reagiert, den Haftbefehl zurückzuziehen. In dem Papier stockt der Sender seine Forderung gleich noch auf 1774,46 Euro auf. Das sei der Betrag, der seit 2013 insgesamt ausstehe. Durch eine Vermögensauskunft hätte es der Schuldner selbst in der Hand gehabt, seine Haft zu verhindern oder zu beenden. Möglich sei auch eine Ratenzahlung.