Kinder im Hungerstreik – Eltern sind krank vor Sorge
Berlin / Lesedauer: 4 min

Sechs Umweltaktivisten in Berlin befinden sich seit Dienstag im 15. Tag ihres Hungerstreiks. Einige Nordkurier-Leser wunderten sich, ob denn die Eltern von ihrem gefährlichen Unterfangen überhaupt wüssten und was sie zu dem Hungerstreik sagen würden.
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Melissa Petzold aus Züssow (Landkreis Vorpommern-Greifswald), selbst Mutter von zwei heranwachsenden Jungen im Alter von 12 und 15 Jahren, fragte den Nordkurier: „Wie gehen die Eltern der Aktivisten mit dem Streik um? Ich würde krank vor Sorge sein, wenn ich mitbekäme, wie mein Kind langsam verhungert”, schildert die 38-Jährige. Sie habe sehr wohl Verständnis für das Anliegen der Protestler und bewundere ihre Willensstärke und ihr Engagement. Jedoch könne sie diesen radikalen Schritt des Hungerstreiks nicht begreifen und mache sich große Sorgen um die Gesundheit der Aktivisten.
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Aus dem Camp der Hungerstreikenden in Berlin heißt es dazu auf Nordkurier-Nachfrage, dass alle Aktivisten von ihren Eltern bei dem Kampf gegen eine Klimakatastrophe unterstützt würden. „Manche fanden den radikalen Ansatz erst nicht gut, aber im Gespräch konnten wir sie von der Dringlichkeit unseres Anliegens überzeugen”, sagte eine Sprecherin des Camps. Die Eltern der streikenden 18-jährigen Lina Eichler versuchten anfangs alles, um ihre Tochter von ihrem Vorhaben abzubringen. „Ich habe ihnen klar gemacht, dass sie ihre Sorgen nicht an mich als Kind im Hungerstreik wenden sollen, sondern eher daran, was in unserer Zukunft passiert, wenn wir weiter auf diese Klimakatastrophe zusteuern.” Jetzt stehen aber alle Eltern voll hinter dem Streik, heißt es aus dem Camp. Manche schauten auch schon persönlich im Camp vorbei und halfen ihren Kindern bei dem Protest.
Greifswalder Vater unterstützt seinen hungernden Sohn
Auch Eckart Pscheidl-Jeschke, der Vater des 21-jährigen Greifswalder Aktivisten Henning Jeschke, war schon bei seinem Sohn in Berlin vor Ort und sagte seine Unterstützung zu. Trotz der Angst um sein Kind teile er dessen Ansichten und respektiere seine Entscheidung. Er bittet die Politiker auf die Forderungen der Streikenden einzugehen: „Das Ende des Hungerstreiks hängt an zwei Forderungen, die leicht zu erfüllen sind. Es geht um ein Gespräch, bitte führen sie dieses Gespräch. Die zweite Forderung ist die Einführung eines Bürgerrats, eine politisch sinnvolle Forderung. Ich appelliere an sie: Beenden sie den Hungerstreik.”
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Dieser Forderung schließt sich auch die Mutter des 22-jährigen Simon Helmstedt an, der ebenfalls hungert. Doch in einem offenen Brief an das Camp und die Politiker lässt sie auch ihre Verzweiflung durchblicken: „Meinen Sohn weinen zu sehen und seine Verzweiflung und Wut zu erleben, ist kaum auszuhalten. Und wenn sie scheitern mit diesem Streik, was kommt dann?”, fragt sie sich voller Sorge.
Aktivisten wollen nicht Elterngeneration pauschal anklagen
Verständnis für die Aktion ihres Kindes kommt auch von der 55-jährigen Mutter des streikenden Jacob Heinze. „Geweckt werden vom eigenen Sohn mit dem Ruf ,Wir sind in Lebensgefahr', ist nicht nur erschreckend und angsteinflößend. Es beschämt mich auch.” Sie empfände keinerlei Scham, weil sie Aktion für zu radikal halte, sondern weil sie nicht eher versucht habe, das Leben der nächsten Generation auf diesem Planeten zu schützen. Sie weist ebenfalls in einem offenen Brief darauf hin, dass die Kinder die Elterngeneration nicht pauschal anklagen, sondern sie stattdessen auffordern, nicht nur zu reden, sondern zu handeln.
Die Streikenden wollen ihren Protest weiterhin aufrecht halten und verstärken diesen sogar noch. Am Dienstagabend haben sie entschieden, zukünftig auf Vitaminsäfte zu verzichten. Bislang nahmen die Streikenden morgens Elektrolyte und Vitamine über Tabletten und Säfte zu sich. Auf das Essen verzichteten sie ganz. Durch das Auslassen von Vitaminen werden ihre Körper weiterhin geschwächt. Eine Einladung für ein Gespräch mit den Politikern blieb bis jetzt aus.