Weltklimakonferenz

Mit Atomkraft zur Klima-Rettung?

Paris / Lesedauer: 5 min

Bei der Weltklimakonferenz beraten etliche Länder darüber, wie die Klimaziele erreicht werden können. Frankreich will deswegen neue Atomkraftwerke bauen. Das stößt auf großen Widerstand.
Veröffentlicht:12.11.2021, 10:47
Aktualisiert:06.01.2022, 22:17

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Während Deutschland in gut einem Jahr alle Atomkraftwerke vom Netz haben will, plant Frankreich den Bau neuer Meiler. Wie Präsident Emmanuel Macron ankündigte, sollen die neuen Werke dem Land auch helfen, die Klimaziele zu erfüllen und bis 2050 CO2-neutral zu werden. Auf der aktuell stattfindenden Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Glasgow, die sich ebenfalls mit Wegen befasst, die Klimaziele noch zu erreichen, spielt das Thema Atom allerdings eine untergeordnete Rolle. Und aus Deutschland gibt es heftige Kritik an einem grünen Label für Atomkraft.

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Macron begründete den Schritt in einer Fernsehansprache am Dienstagabend unter anderem mit dem Kampf gegen den Klimawandel und der Sorge um eine zuverlässige Energieversorgung. Zugleich solle aber auch die Entwicklung erneuerbarer Energien fortgesetzt werden.

Stromversorgung sichern

„Um Frankreichs Energieunabhängigkeit zu gewährleisten, die Stromversorgung unseres Landes zu sichern und unser Ziel der Kohlenstoffneutralität im Jahr 2050 zu erreichen, werden wir zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Errichtung von Kernreaktoren in unserem Land wieder aufnehmen“, sagte Macron. Bereits vor einigen Wochen hatte er die Absicht bekundet, bis 2030 kleinere Reaktoren schaffen zu wollen, die auch den Umgang mit nuklearem Müll erleichtern sollen.

Anders als Deutschland setzt Frankreich auch nach der Katastrophe im japanischen Fukushima 2011 weiter auf Atomenergie. Zwar wurde das älteste AKW des Landes im elsässischen Fessenheim vergangenes Jahr abgeschaltet, und bis 2035 sollen weitere Reaktorblöcke vom Netz gehen.

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Ausufernde Kosten und technische Probleme haben den Ausbau der Atomkraft durch den staatlichen Energiekonzern EDF zuletzt behindert. Für einen umstrittenen Atomreaktor in Flamanville am Ärmelkanal, dessen Bau bereits 2007 begann, wurde kürzlich die Betriebsgenehmigung erteilt. Die Inbetriebnahme war zuletzt auf Ende 2022 verschoben worden – auch, weil undichte Schweißnähte in der Stahlhülle entdeckten wurden.

Die Versorgungslage

Die Atom-Strategien in den beiden Nachbarländern Deutschland und Frankreich fußen auf einer sehr unterschiedlichen Versorgungslage. Frankreich rangiert laut der Internationalen Atomenergiebehörde weltweit hinter den USA und China auf Platz drei der größten Atomstromproduzenten.

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Entsprechend kam auch die landeseigene Energieproduktion laut Ministerium für ökologischen Wandel im vergangenen Jahr zu drei Vierteln aus den 56 Atomreaktoren im Land, während fossile Energiequellen wie Kohle und Gas in der Produktion quasi keine Rolle spielten. Besonders dominant ist die Atomkraft beim Strom. Netzbetreiber RTE schrieb unlängst in einer Studie, dass ein CO2-neutraler Strombetrieb bis 2050 in Frankreich ohne neue Atomkraftwerke nur mit erheblichen Anstrengungen zu bewältigen wäre.

Im französischen Energiemix sieht das Ganze aber aufgrund von Importen durchaus anders aus, wie Zahlen des Statistikamts Insee zeigen. Mit 41 Prozent der verbrauchten Energie spielt die Atomkraft als Quelle eine bedeutende Rolle, doch fossile Energiequellen brachten im vergangenen Jahr sogar leicht mehr, nämlich etwa 45 Prozent der genutzten Energie. Die verbleibenden knapp 14 Prozent kamen aus Wind, Wasser, Sonne und Bioenergie.

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Deutschland ist deutlich anders aufgestellt, wie aus dem Jahresbericht 2020 des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW hervorgeht. Die Kernenergie, mit der Ende nächsten Jahres endgültig Schluss sein soll, machte im vergangenen Jahr lediglich noch sechs Prozent des Primärenergieverbrauchs aus. Den Mammutanteil von drei Vierteln lieferten fossile Energieträger, allen voran Erdöl und Erdgas. Erneuerbare Energien lagen bei knapp 17 Prozent. Schaut man nur auf die Stromerzeugung, kommen die Erneuerbaren laut BDEW auf knapp 45 Prozent, und damit etwa 20 Prozent mehr als RTE für Frankreich ausweist.

Nach Fukushima

Während Frankreich den Bau neuer Atomkraftwerke nicht zuletzt mit dem Klimaschutz begründet, stand beim deutschen Ausstieg aus der Atomkraft vor allem die Sicherheit im Vordergrund. Kurz nach der verheerenden Atomkatastrophe im japanischen Fuku-shima 2011 beschloss die damalige Bundesregierung mit einer Kurswende, bald nicht mehr auf Atomstrom zu setzen. Frankreich als Atomland blieb damals dabei.

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Der gesellschaftliche Druck ist dort bei dem Thema deutlich geringer, die Anti-Atomkraft-Bewegung vergleichsweise klein. Doch Atomstrom als grün abzustempeln, wie es Präsident Macron gerne tut, stößt bei Klimaschutzorganisationen wie WWF und Greenpeace auf Widerstand. Sie warnen vor Umweltfolgen durch den radioaktiven Müll, der bei der Kernspaltung entsteht. Auch aus Berlin gibt es Kritik.

Der Zank auf EU-Ebene

Der Streit zwischen den beiden Nachbarn spielt zurzeit vor allem auf europäischer Ebene. Denn die EU-Kommission arbeitet momentan an einer sogenannten Taxonomie – einem Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen. Frankreich übte zuletzt erheblichen Druck aus, um Atomkraft als umweltfreundliche Energie einzustufen.

Deutschland hat sich bislang klar dagegen ausgesprochen, Atomkraft in die Taxonomie aufzunehmen. Es gibt allerdings eine starke Lobby dafür, Gas als Übergangstechnologie zu fördern. Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) warnte sogar davor, Atomenergie als grün einzustufen. Man halte sie nicht für nachhaltig. Eine Entscheidung der EU-Kommission soll bis Jahresende fallen.

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