Vor 50 Jahren
Notlandung auf A7 – Pilot rettete hundert Spanien-Urlauber
Hasloh / Lesedauer: 4 min

dpa
Unter der schmalen Autobahnbrücke zwischen Norderstedt und Hasloh (Schleswig-Holstein) rauscht lärmend der Verkehr. Die Notlandung eines Flugzeugs mit 121 Menschen an Bord kurz nach dem Start in Hamburg scheint hier unvorstellbar. Pilot Reinhold Hüls gelingt das Unmögliche genau vor 50 Jahren, am 6. September 1971 auf der damals gerade fertiggestellten Autobahn 7 im Kreis Pinneberg. Dennoch überleben 22 Menschen das Unglück nicht.
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Was ist passiert? Die zweistrahlige Maschine vom Typ BAC 1-11 der Münchner Fluggesellschaft Paninternational ist mit 121 Menschen an Bord voll besetzt auf dem Weg ins spanische Malaga. Bei einem Start mit Volllast ist vorgesehen, die Triebwerke durch Einspritzen von Wasser zu kühlen. Pilot Hüls ordnet an, den Wassertank aus Kanistern zu füllen, die im Frachtraum mitgeführt werden. Was Hüls nicht ahnt: In den Wasserkanistern ist auch Kerosin.
Vertauschte Kanister sind Wurzel des Übels
Kurz nach dem Start erschüttern Explosionen beide Triebwerke. In geringer Höhe bleibt der Schub weg. Die Aufarbeitung durch das Luftfahrt-Bundesamt und ein Gericht ergibt: Techniker am Boden suchten Kanister, um Kerosin zwischenzulagern und griffen sich, was sie fanden. Fataler Leichtsinn.
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Nach dem Triebwerksausfall drückt der 32 Jahre alte Pilot die Nase des Jets nach unten, um Fahrt zu behalten. Ihm bleiben nur wenige Sekunden, sich zu entscheiden. Umkehren ist ausgeschlossen, voraus die Autobahn. Verkehr in Richtung Norden, freie Bahn in Fahrtrichtung Süden. Er steuert die Maschine unter einer Hochspannungsleitung durch, setzt hart auf.
Aufprall kostet Passagiere das Leben
Dann passiert, was die Notlandung doch zur Katastrophe macht. Das linke Fahrwerk knickt ein, das Flugzeug gerät mit dem Flügel in die Leitplanken, trifft eine Notrufsäule und dreht sich genau in dem Moment, in dem es mit hoher Geschwindigkeit unter der Brücke durchrutscht. Ein Pfeiler zerfetzt den Rumpf direkt hinter dem Cockpit. 22 Menschen verlieren ihr Leben durch diesen Aufprall, niemand durch das anschließende Feuer.
Der 81 Jahre alte Manfred Maier blickt 50 Jahre später von der inzwischen erneuerten Brücke, an der das Flugzeug in zwei Teile zerrissen wird, auf das Gelände, das damals ein Trümmerfeld ist. Der damalige Polizist und Gruppenführer der Freiwilligen Feuerwehr Hasloh hebt den Arm, spricht leise, kommt gegen den Verkehrslärm kaum an. „Da lag das Cockpit.” Maier hat alle Details im Kopf.
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Damals wie heute wohnt er keinen Kilometer von der Unglücksstelle entfernt. Er hört den Knall und sieht die Rauchsäule des brennenden Wracks, zögert keinen Augenblick und kommt zusammen mit zwei Nachbarn als einer der ersten Retter an der Autobahnbrücke an. Mit Mühe sei es ihm gelungen, Pilot und Copilotin ins Freie zu bringen. Sein Nachbar kümmert sich inzwischen um die Toten und Verletzten in der ersten Reihe. „Einer Frau hat er das Bein mit Stacheldraht abgebunden.” Was soll man machen, wenn man nichts hat, um zu helfen? Seinen Autofeuerlöscher legt er angesichts des Kerosinflammeninfernos gleich wieder weg. Aussichtslos.
Etwas später, als die Rettungsarbeiten schon in vollem Gange sind, erreicht Dieter Baukloh die Absturzstelle. Er ist Redakteur der Deutschen Presse-Agentur. Nichts ist abgesperrt, er geht frei über das Gelände und befragt Helfer. Es gibt ein einziges Telefon beim Bauern neben der Autobahn. „Ich habe ihm 20 Mark gegeben und konnte den ganzen Abend telefonieren.” So erreicht Meldung um Meldung die Redaktion. Wirklich an sich herangelassen habe er die Situation nicht. „Ich habe nur meinen Job im Kopf gehabt.”
Flugunfall hatte Konsequenzen
Jeder Flugunfall wird detailliert von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung aufgearbeitet. Die damalige Untersuchungskommission des Luftfahrtbundesamts spricht unter anderem die Empfehlung aus, Behälter für demineralisiertes Wasser zu kennzeichnen. „In der Zivilluftfahrt helfen Regeln der Untersuchung von Unfällen und die Tatsache, dass Berichte zu veröffentlichen sind, sehr bei der Verbesserung der Flugsicherheit, und zwar weltweit”, sagt Jens Friedemann von der Bundesstelle. Das Internet habe die Reichweite der Berichte noch einmal deutlich vergrößert. Hersteller, Fluggesellschaften und Piloten könnten so von Erfahrungen aus aller Welt profitieren.
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