Kinderpornografie

So krank werden Polizisten durch Missbrauchsvideos

Köln / Lesedauer: 3 min

Kinderporno-Ringe aufzudecken ist psychisch extrem belastend. Der Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach zeigt, wie sehr Polizisten darunter leiden.
Veröffentlicht:08.06.2020, 15:50

Von:
  • dpa
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Im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach ermitteln derzeit in ganz Nordrhein-Westfalen noch täglich 120 bis 140 Spezialisten unter Leitung der Kölner Polizei. In der Spitze waren es sogar 350 Mitarbeiter. Die Arbeit in der seit Herbst 2019 bestehenden Ermittlungsgruppe „Berg” sei psychisch sehr belastend, sagte der Kölner Kriminaldirektor Michael Esser am Montag. Drei seiner Kolleginnen und Kollegen seien dauerhaft krank geworden. Andere hätten nach psychologischer Betreuung den Dienst wieder aufnehmen können.

Insbesondere die Sichtung des Videomaterials bringe jeden Ermittler an die Grenze seiner Belastbarkeit. Es müsse aber sein, um Täter und Kinder zu identifizieren und somit weiteren Verbrechen vorzubeugen. Die „Besondere Aufbauorganisation Berg” hat bisher 44 Kinder identifiziert und im Anschluss aus den Fängen der Täter befreit. Darunter war auch ein drei Monate altes Baby.

Belastungsgrenze kann jederzeit erreicht sein

„Das ist natürlich unsere größte Motivation”, sagte Esser. Eben darum muteten sich die Ermittler die Aufnahmen zu. Als wichtig habe sich herausgestellt, dass man das Material gemeinsam in einem Raum sichte. „Das Miteinander unterstützt die Auswertung massiv. Man kann sich da nicht zurückziehen ins stille Kämmerlein, man muss ständig mit den Kolleginnen und Kollegen kommunizieren, Dinge durchsprechen und sich gegenseitig Hinweise geben.”

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Die Ermittler seien alle freiwillig dabei, sagte Esser. Parallel dazu würden sie von Psychologen und Seelsorgern betreut. „Seit Ende letzten Jahres hat NRW ein Konzept aufgestellt, das obligatorisch für den Bereich Kinderpornografie und Kindesmissbrauch umzusetzen ist. Davon unabhängig kann jeder Kollege jederzeit an eine psychologische Belastungsgrenze stoßen, und dann steht ihm immer psychologische und medizinische Hilfe zur Verfügung.”

Jeder Ermittler muss sich schützen

Darüber hinaus entwickle jeder Ermittler eigene Schutzmechanismen. „Ich habe letzte Woche noch mit einer Kollegin gesprochen, die sagte: 'Ich gucke mir die eigentliche Tathandlung gar nicht so im Detail an. Ich schaue, was ist da drauf, was möglicherweise zur Identifizierung beiträgt.' Das kann ein Plüschtier sein, eine Tätowierung, die ein Täter hat, eine Bettdecke oder ein Blick aus dem Fenster. Einmal hat uns ein Kirchturm in einem Bergdorf weitergeholfen”, berichtete Esser.

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In dem Komplex Bergisch Gladbach gibt es bisher 72 identifizierte Tatverdächtige in ganz Deutschland. Zehn Personen sind in U-Haft. Zudem sind sieben Anklagen gegen acht Personen erhoben worden. Der Fall war im Oktober 2019 mit der ersten Durchsuchung bei einem der Hauptverdächtigen in Bergisch Gladbach ins Rollen gekommen.

Im bundesweiten Kindesmissbrauchsfall Bergisch Gladbach ist das erste Urteil gefallen: Ein 27-jähriger Soldat wurde Ende Mai  zu zehn Jahren Haft verurteilt und in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Der Soldat hatte gestanden, vier kleine Kinder im Alter zwischen einem und fünf Jahren in über 30 Fällen zum Teil schwer missbraucht zu haben.