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Studie: Fünfmal mehr Babys wegen RS–Virus in Kliniken

Berlin / Lesedauer: 3 min

Die Krankheit gilt als besonders gefährlich für Kinder und Säuglinge. Im Winter stieg die Zahl der Klinikbehandlungen bei unter Einjährigen in Deutschland drastisch. Was hat Covid–19 damit zu tun?
Veröffentlicht:02.03.2023, 05:53

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Wenn die eigenen Kinder stark husten, schnell atmen und Atemnot bekommen, kann das Respiratorische Synzytial–Virus (RSV) dahinterstecken. In Deutschland ist im Winter 2022 laut einer Studie die Zahl der Neugeborenen und Säuglinge, die wegen des sogenannten RS–Virus in einer Klinik behandelt werden mussten, drastisch gestiegen.

Ein Grund: Durch Schulschließungen und Kontaktverbote während der Corona–Pandemie hatten sich vorletzten Winter deutlich weniger Kinder mit RSV infiziert — das wurde dann im jetzt zu Ende gehenden Winter auf– und nachgeholt.

Mehr Kinder auf Intensivstationen

Hochgerechnet auf alle in Deutschland lebenden Kinder mussten im vierten Quartal 2022 rund 17.000 unter Einjährige im Krankenhaus behandelt werden, wie eine Analyse im Auftrag der Krankenkasse DAK–Gesundheit ergab. Das seien fünfmal mehr als im gleichen Zeitraum 2018. Der Anteil auf den Intensivstationen sei um 350 Prozent gestiegen.

Für die DAK–Sonderanalyse untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von rund 786.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren. Analysiert wurden die Jahre 2017 bis 2022.

An dem Respiratorischen Synzytial–Virus kann man in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger bedeutsam. Es kann sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen–Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.

Erhebliche Nachholeffekte wegen Corona

Als Grund dafür nennt die Studie unter anderem Nachholeffekte wegen der Corona–Pandemie: Denn die Saison 2020/21 für RS–Viren sei wegen der Schutzmaßnahmen nahezu ausgefallen, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder– und Jugendärzte. „Die Ergebnisse zeigen genau das, was wir in den Praxen erlebt haben.“ Der Ausfall der Welle 2020/21 und das zeitliche Vorziehen der sehr starken Welle 2021/22 zeigten, dass es erhebliche Nachholeffekte gab.

Ähnlich sieht das Johannes Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie am Universitätsklinikum Würzburg. Durch die Schulschließungen und Kontaktverbote während der Corona–Pandemie hätten sich deutlich weniger Kinder mit RSV infiziert. „Das Aufholen beziehungsweise Nachholen dieser RSV–Infektionen nach Lockerung der Corona–Maßnahmen führte zu einem überaus starken Wiederanstieg an RSV–Erkrankungen in allen Altersgruppen“, sagte Liese.

Infektionen blieben wegen Pandemie aus

Beim RKI heißt es unter Berufung auf Schätzungen, dass RSV–Atemwegserkrankungen weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1000 Kinder im ersten Lebensjahr vorkommen. Innerhalb des ersten Lebensjahres hätten normalerweise 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Im Zuge der Corona–Schutzmaßnahmen waren viele solche Infektionen allerdings zeitweise ausgeblieben.

DAK–Chef Andreas Storm mahnt eine Reaktion an. „Unsere Analyse zeichnet ein dramatisches Bild und macht deutlich: Es gibt einen akuten Handlungsbedarf der Politik“, sagte Storm. „Wir müssen im Klinikbereich und im ambulanten Sektor in Zukunft besser auf Infektionswellen vorbereitet sein. Es kann nicht sein, dass vorhandene Behandlungsplätze wegen Personalmangels nicht genutzt werden können. Das müssen wir künftig unbedingt vermeiden.“