StartseiteRegionalPasewalkDörfer mit Windenergie komplett heizen – eine Alternative zum Erdgas?

Windwärmespeicher

Dörfer mit Windenergie komplett heizen – eine Alternative zum Erdgas?

Nechlin / Lesedauer: 3 min

Nechlin hat einen Windwärmespeicher. Jetzt müsste die Idee, mit abgeregelter Windenergie Häuser zu beheizen, Hochkonjunktur haben. Aber dem ist nicht so.
Veröffentlicht:01.02.2023, 11:47

Artikel teilen:

Die Idee, mit Windenergie komplett CO2-frei Häuser zu beheizen, ist bereits Realität. In Nechlin, direkt an der Grenze zwischen den Landkreisen Uckermark und Vorpommern-Greifswald, ist seit März 2020 ein Windwärmespeicher in Betrieb. Mit ihm werden mehr als 50 Häuser beheizt – nahezu das komplette Dorf.

Die Funktionsweise ist denkbar einfach. Da nach wie vor im Nordosten mehr Strom von Windenergieanlagen (WEA) erzeugt wird, als abgeleitet werden kann, müssen diese WEA häufig abgeregelt werden. Genau hier setzt der Windwärmespeicher an. Werden die Windräder abgeregelt, gehen in Nechlin die Heizstäbe an und erhitzen das Wasser im Speicher. Dieser hat ein Fassungsvermögen von rund einer Million Litern Wasser, das auf bis zu 93 Grad Celsius erwärmt werden kann. Bei Bedarf wird das Warmwasser an das örtliche Nahwärmenetz abgegeben. Für die Erhitzung benötigt die Anlage nur wenige Stunden. Die Wärme kann hingegen bis zu zwei Wochen das Dorf versorgen – komplett unabhängig von fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl.

Mehr lesen: „Deutschland-Tempo” – Was half bei LNG, und was bremst bei der Windkraft?

In der derzeitigen Situation, in der kein Gas mehr aus Russland kommt und der fossile Energieträger teuer eingekauft werden muss, sollte diese Idee reißenden Absatz finden. Zumal es hier in der Region massenhaft Windräder gibt und beispielsweise auch Pasewalk über ein eigenes Wärmenetz verfügt. Auch in zahlreichen Dörfern könnten Nahwärmenetze leicht und günstig verlegt werden. Theoretisch.

Gesetzliche Änderung steht noch aus

Praktisch steht aber die entscheidende gesetzliche Änderung, die Windwärmespeichern zum Durchbruch verhelfen könnte, noch aus. Die gegenwärtigen Bestimmungen sehen vor, dass im Abregelfall – niedrige Nachfrage oder zu viel Strom im Netz – die verlorenen Windenergiemengen dem Betreiber voll entschädigt werden. Wird diese Windenergie aber für die örtliche Wärmeversorgung genutzt, entfällt laut Bundesnetzagentur die Entschädigung. Die EEG-Umlage ist zu zahlen. Damit sind die Kosten höher als der Verkaufspreis der Wärme.„Der derzeitige Rechtsrahmen verhindert also hocheffiziente Lösungen wie Windwärmespeicher. Dies könnte durch Anpassungen im Erneuerbare Energien Gesetz, EEG, und im Energiewirtschaftsgesetz geändert werden“, sagt Pressesprecher Matthias Philippi von Enertrag, dem Betreiber des Nechliner Windwärmespeichers. Somit könnten Windwärmespeicher auch nur wirtschaftlich betrieben werden, wenn sie mit Anlagen verbunden sind, die keine EEG-Förderung erhalten.

Dennoch möchte die Enertrag weitere Projekte dieser Art umsetzen. „Damit die Energiewende gelingt, braucht es bezahlbare und CO2-neutrale Wärme im ländlichen Raum sowie Akzeptanz für Erneuerbare Energie. Hierfür eignen sich Windwärmespeicher bestens. Mit den abgeregelten Strommengen könnten bis zu einer Million Menschen mit Wärme versorgt werden“, stellt der Pressesprecher klar. Daher untersuche derzeit eine Studie die Möglichkeiten weiterer Wärmeprojekte. In Zeiten von hohen Preisen für fossile Energieträger seien Windwärmespeicher relativ kurzfristig umsetzbare Lösungen, insbesondere, wenn es ein vorhandenes Nahwärmenetz und Windkraftanlagen in der Nähe gibt. Zudem müsse der Gebäudesektor mehr Anstrengungen unternehmen, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. „Von daher sind Windwärmespeicher neben Wärmepumpen Lösungen für eine Wärmewende, die vollzogen werden muss“, so Matthias Philippi.