Es ist still in Heinrichswalde am Freitagmorgen. Die Sonne kämpft sich durch die Nebelschwaden. Für Ingeborg Just hätte es ein wunderbarer Tag werden können. „Ich möchte nur meine Hühner nicht verlieren“, sagt die 86-Jährige flehentlich. Ingeborg Just weiß in diesem Moment noch nicht, dass sie ihre neun Hühner ein paar Stunden später nicht mehr sehen wird.
Alle Menschen im Umkreis von drei Kilometern, die Geflügel auf ihrem Hof haben, werden ihre Tiere verlieren. „Es gibt keine Ausnahme, die Sache ist einfach zu ernst. Das ist alles kein Spaß mehr“, erklärt Amtstierarzt Holger Vogel. Die Geflügelpest mit dem erstmals in Europa aufgetauchten Influenzavirus vom Subtyp H5N8 stürzt nun auch viele Dorfbewohner in Verzweiflung.
Geschätzte 1000 Hühner, Enten und Gänse von Privathaltern müssen eingesammelt werden. Dem Geflügel wird erst eine Probe entnommen, anschließend wird es getötet.
Mitarbeiter vom Veterinäramt des Landkreises und vom Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei M-V (LALLF) in Rostock klappern jedes Grundstück ab, klingeln, fragen die Bewohner, ob sie Geflügel halten.
Schon am zweiten Haus werden sie fündig – neun Zwerghühner gackerten dort bis zum Donnerstag über den Hof. Nun werden sie in Plastekisten gelegt und zur Putenmastanlage gebracht. Dort findet ihr Leben ein Ende. „Das ist ein Scheiß-Job, den niemand von uns gern macht“, sagt eine Frau vom LALLF.
Sie sei damals auf Rügen dabei gewesen, als dort wegen der Vogelgrippe das gleiche Prozedere ablief.
Den Mitarbeitern der Behörden bleibt keine Zeit für Gefühle
Da hätten sich dramatische Szenen auf den Höfen abgespielt. „Aber damals sind die Tiere dort gleich in einer Tonne vor den Augen der Leute getötet worden. Das war für viele Menschen einfach zu viel“, sagt sie. Deshalb sei es gut, dass in Heinrichswalde die Tiere eingesammelt und dann auf der Mastanlage getötet werden.
Im Dorf verläuft die Sammelaktion ruhig: Die Menschen sind traurig, dass sie ihr Geflügel abgeben müssen, sehen die Notwendigkeit aber ein. Trotzdem werden die Frauen und Männer aus den Ämtern während ihrer Tour durch die Straßen von der Polizei begleitet – zur Sicherheit.
Hartmut Braun, Leiter des Ueckermünder Polizeireviers, kann die Traurigkeit der Heinrichswalder verstehen. „Viele hängen sehr an ihren Tieren, das ist doch klar. Bei uns war heute Morgen ein älterer Mann, der wollte wissen, wohin er seine Tiere bringen soll. Der Mann fing an zu weinen“, erzählt der Beamte. Gefühle können sich die Verantwortlichen von den zuständigen Ämtern aber nicht leisten. Die Tiere müssten getötet werden.
Alfred und Marlies Gebel wohnen am Rande des Ortes. Was sie kritisieren, und in dem Punkt sind sie nicht die einzigen in der Gemeinde, sind fehlende Informationen vom Landkreis. „Bisher haben wir alles aus den Medien erfahren. Der Kreis hätte doch Informationsblätter verteilen können. Das hätte den Menschen vielleicht etwas die Ungewissheit genommen.“
Landkreissprecher Achim Froitzheim sagt, dass man den Weg über die Medien ganz bewusst gewählt habe: „Die Zeit, noch Informationsblätter in dem betroffenen Gebiet zu verteilen, haben wir gar nicht mehr gehabt.“