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Lila Bäcker sehen Rot

Vier von fünf Entlassenen klagen gegen Kündigung

Pasewalk / Lesedauer: 3 min

Der Ofen ist bald aus: Der Lila Bäcker hat 225 Angestellte entlassen. Viele von ihnen gehen dagegen jetzt allerdings vor Gericht vor. Die Gewerkschaft erhebt zudem schwere Vorwürfe.
Veröffentlicht:23.05.2018, 10:46

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Auf das Pasewalker Unternehmen „Unser Heimatbäcker” rollt nach der Kündigung von 225 Mitarbeitern eine große Klagewelle zu. Nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) haben vier von fünf Betroffenen gegen die Entlassungen Schutzklage eingereicht. „Wir haben all unseren Mitgliedern dazu geraten”, sagte NGG-Landesgeschäftsführer Jörg Dahms dem Nordkurier.

Wie der Direktor des Arbeitsgerichts Stralsund, Rainer Rückert, anführte, sind alleine bei seinem Gericht 35 Klageverfahren anhängig. Die ersten Termine für eine gütliche Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber habe es schon gegeben, weitere stünden an. Offenbar gab es dabei aber keine Übereinkunft. Laut Rückert sind die ersten Termine für Hauptverhandlungen für Mitte Oktober angesetzt.

Transfergesellschaft ist gescheitert

Das Unternehmen, dessen Filialen zumeist als „Lila Bäcker” firmieren, will den Produktionsstandort in Gägelow (Kreis Nordwestmecklenburg) zum 31. Mai komplett schließen. Etwa 125 Mitarbeiter bekamen dort Ende März ihre Kündigung. Am Standort Pasewalk soll den Angaben zufolge die Konditorei zumachen, wovon etwa weitere 50 Mitarbeiter betroffen sind. Auch in Dahlewitz in Brandenburg haben 50 Beschäftigte ein Kündigungsschreiben erhalten. Die komplette Kuchenproduktion soll nach Neubrandenburg verlegt werden. Brot und Brötchen werden in Pasewalk produziert.

Der „Lila Bäcker” ist zuletzt in wirtschaftliche Schieflage geraten. Der als Sanierer gekommene neue Geschäftsführer, Stefan Blaschak, begründete die Entlassung mit Kostensteigerungen – auch durch den gesetzlichen Mindestlohn – und Wettbewerbsdruck. Zunächst war vorgesehen, die betroffenen Mitarbeiter für ein Jahr in sogenannten Transfergesellschaften aufzufangen und zu schulen. Diese sind laut NGG aber nicht zustande gekommen, weil der Arbeitgeber kein Geld habe zusteuern wollen.

Arbeitsagentur macht Entlassenen Hoffnung

Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit im Bezirk Greifswald bestätigte auf Anfrage dem Nordkurier, dass es keine Transfergesellschaften gibt. Nach Gesprächen haben man sich dagegen entschieden, da eine solche Gesellschaft aufgrund der kurzen Kündigungsfristen nicht die „gewünschte Wirkung” gehabt hätte, sagte eine Sprecherin. Die Agentur ist aber optimistisch, dass angesichts der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt viele Betroffene wieder in Lohn und Brot gebracht werden könnten.

Der NGG-Landesgeschäftsführer Dahms gibt derweil den Kündigungsschutzklagen auf Wiedereinstellung gute Aussichten auf Erfolg. Seinen Worten nach hat es keine Sozialauswahl gegeben. Auch seien Bäcker gekündigt worden, obwohl das Unternehmen sich von Konditoren habe trennen wollen. Diese seien dann gefragt worden, ob sie zurückkommen.

Gewerkschaft: Firma hat Betriebsratswahlen unterdrückt

Deutliche Kritik übte die Gewerkschaft an der Unternehmensleitung des „Lila Bäckers” auch im Zusammenhang mit den angestrebten Betriebsratswahlen. Bereits Mitte März sei ein Wahlvorstand dafür eingerichtet worden, die Geschäftsführung blockiere aber die Zuarbeit, kritisierte Dahms. „Sollte sich die Betriebsratswahl weiter verzögern, werden wir das juristisch prüfen lassen.” Die NGG fragt sich auch, woher künftig Backwaren für die Kunden kommen sollen, wenn über 200 Mitarbeiter entlassen werden. Die anderen Standorte können dies ihrer Einschätzung nach nicht ausgleichen.

„Unser Heimatbäcker” gehört zu den größten Arbeitgebern in der Region. Hauptfondsgesellschafter der Kette ist die Deutsche Beteiligungs AG mit Sitz in Frankfurt am Main. Deren Angaben zufolge hatte das Unternehmen 2017 rund 400 Filialen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Die rund 2700 Mitarbeiter erwirtschafteten einen Jahresumsatz von 139 Millionen Euro.

Das Pasewalker Unternehmen ließ eine Nordkurier-Anfrage zu den Vorgängen von Dienstagnachmittag bislang unbeantwortet.