Man kann es natürlich so sehen: Die übrigen ARD-Intendanten grenzen sich mit ihrem Misstrauensvotum vom RBB ab und machen auf diese Weise deutlich, dass sie selbst nichts zu tun haben wollen mit den Machenschaften beim RBB. Doch ist das glaubwürdig? Es steht zu bezweifeln.
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Auch der NDR im Strudel der Affäre
In den vergangenen Wochen sind mindestens der NDR und der BR schon in den Strudel der Affäre Schlesinger mit hineingezogen worden – und wer weiß, was in den kommenden Wochen noch ans Licht kommt. Gut möglich also, dass die Intendanten mit ihrem Misstrauensvotum nur eine Nebelkerze zünden wollten. Schließlich ist eine solche Erklärung in den Statuten der ARD weder vorgesehen, noch hat sie irgendwelche Konsequenzen für den RBB. Die hätte lediglich ein Ausschuss des Senders aus der ARD.
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Doch bei einem Ausschluss geriete das öffentlich-rechtliche System in Deutschland in seiner Gänze ins Wanken – und genau das wollen die übrigen ARD-Intendanten unbedingt vermeiden. Denn nicht nur in der RBB-Chefetage geht es in erster Linie um Besitzstandswahrung. Auch die Chefs von NDR, BR, SWR und Co. ahnen längst, welche Debatte in den kommenden Wochen an Fahrt gewinnen dürfte: Es geht jetzt um nicht weniger als die Frage, ob Deutschland diesen aufgeblasenen, selbstgefälligen und reformresistenten öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt noch braucht.
Die Politik traut sich noch nicht an das Thema heran
Die Vorgänge beim RBB haben sehr deutlich gezeigt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich nicht aus sich selbst heraus reformieren können. Was auch kein Wunder ist, wenn es um so viel Geld geht, das dank der Rundfunkgebühr obendrein einfach aus der Steckdose kommt – sei die dafür erbrachte Leistung auch noch so dürftig.
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Gut möglich, dass die Mehrheit der Bevölkerung, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bislang die Treue gehalten hat, die Frage, ob es die Anstalten in dieser Form wirklich noch braucht, bald mit „Nein“ beantwortet.
Doch für eine wirksame und grundsätzliche Reform des bisherigen Systems bräuchte es vor allem die Politik, die momentan aber noch nicht so weit ist, dass sie tatsächlich schon brechen würde mit dem bisherigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebilde. Was auch daran liegt, dass das Bundesverfassungsgericht für die Anstalten in ihrer aktuellen Form bereits zwei Mal eine zweifelhafte Ewigkeitsgarantie formuliert hat, die ein Reform-Vorhaben juristisch sehr schwierig macht. Aber schwierig heißt nicht unmöglich.
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Deshalb muss jenseits aller rechtlichen Hürden in den nächsten Wochen endlich darüber diskutiert werden, was eigentlich die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein soll – und was nicht.
Wer ergreift die Chance, die diese Situation bietet?
Die aktuelle Situation bietet die seltene Chance für einen echten Neuanfang. Der könnte so aussehen: Die alten Anstalten werden in ihrer bisherigen Form abgewickelt und etwas Neues tritt an ihren Platz. Dabei könnte alles, was nicht der Information dient, dem privaten Sektor überlassen werden, es könnten strikte Obergrenzen für die Zahl an Sendern und Angeboten (derzeit weit über 100) gesetzt werden und es könnten obendrein wirksame Kontrollmechanismen etabliert werden, damit sich so etwas wie beim RBB nicht mehr wiederholen kann. Blieben als Hürde die Pensionsansprüche der Redakteure – ein Posten, bei dem es in den nächsten Jahrzehnten noch um dutzende Milliarden Euro geht. Für sie müsste bei einer Reform der Steuerzahler aufkommen. Doch das sollte ihm die Chance wert sein, die Rundfunkgebühr deutlich abzuschmelzen – und das wohlgemerkt, während das durch sie finanzierte Informationsangebot nicht etwa verschwindet, sondern deutlich besser wird.
Die Möglichkeit dazu besteht durch die RBB-Affäre mehr denn je. Es muss sich nur jemand finden, der den Mut hat, sie zu ergreifen.