Nach der Wende begann in Ostdeutschland nicht nur eine neue Freiheit, sondern auch eine Zeit der Rechtlosigkeit, die Platz für bis dahin für unvorstellbar gehaltene Gewaltausbrüche ließ. „Das ständige Gefühl, dass man aufpassen muss.“ So beschreibt eine Betroffene diese Periode unter dem Stichwort „Baseballschlägerjahre“ auf Twitter.
Neonazis griffen gern zum Baseballschläger
Aufpassen vor Neonazis, die den Wegfall alter Autoritäten und die fehlenden Strukturen nach dem Mauerfall nutzten, um selbst die Macht zu ergreifen und Jagd auf Andersdenkende, auf Menschen mit dunkler Hautfarbe oder auch einfach nur auf Jungs mit einem Skateboard unter dem Arm machten. Und das gerne auch mit Baseballschlägern, unter den Nazi-Skins nach der Wende besonders beliebt. In der DDR gab es dieses westliche Produkt ja noch nicht. Moderne, brutale Zeit.
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„Baseballschlägerjahre“, so titelte der ZEIT-Journalist Christian Bangel vergangenes Jahr seine persönlichen Erinnerungen an diese Zeit. Es war ein Bericht von ständiger Gewalterfahrung, von der dauernden Furcht, zur falschen Zeit am falschen Ort auf Neonazis zu treffen.
Hunderte berichteten von ihren Erfahrungen
Im Internet trafen diese Geschichten einen Nerv – Hunderte berichteten unter dem Schlagwort „Baseballschlägerjahre“ von ähnlichen Erfahrungen. Auch im Nordosten gab es sie, diese brutalen und bis heute meistens eher beiläufig betrachteten Gewalttaten, die oft von Jugendlichen ausgingen. Noch waren diese jungen Rechtsradikalen nicht in Parteistrukturen organisiert. Die Verrohung kannte kein Maß. Das sogenannte „Bordsteinkantenbeißen“ wurde in den 90ern ohne Skrupel praktiziert.
Bundesweit Schlagzeilen machten indes erst die Vorgänge rund um Rostock-Lichtenhagen und Todesopfer auch aus unserer Region, die wir am Ende dieses Artikels im Gedächtnis halten. Neben solchen Exzessen gab es in Mecklenburg-Vorpommern und der Uckermark auch noch zahllose weitere rechtsextremistische Übergriffe.
Sechs Episoden laufen im RBB
Im März 1999 zum Beispiel hat ein 19-Jähriger in Schwedt einen libanesischen Flüchtling niedergestochen und schwer verletzt. Das Opfer war zuvor einfach nur an seiner Wohnung vorbeigelaufen. Vier Monate später prügelten fünf Rechtsextremisten auf einem Volksfest in Eggesin zwei Vietnamesen fast zu Tode. Im März 2000 gab es einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Pasewalk, im Juli wurden zwei Iraker und ein Türke bei einem Volksfest in Malchow von 40 Besuchern verprügelt, im September in Prenzlau ein elfjähriges Mädchen aus Afghanistan von zwei rechtsradikalen Jugendlichen geschlagen und gewürgt.
Der RBB und ZEIT online haben das Thema filmisch aufbereitet. Unter dem Titel „Baseballschlägerjahre“ sind sechs Episoden ab sofort in der ARD-Mediathek und am Mittwoch um 23.05 Uhr im RBB zu sehen.
Kommentare (2)
Der schwarze Kanal
- abkotzen im Strahl
Der Schoß ist fruchtbar noch,
aus dem das kroch (B. Brecht). Siehe Wahlergebnisse der AfD!