Ruhestand
So berechnen Sie Ihre Netto-Rente
Berlin / Lesedauer: 6 min

Carsten Korfmacher
„Sieht doch gar nicht so schlecht aus!” Oft ist das der erste Impuls, wenn sich zukünftige Ruheständler ihren Rentenbescheid ansehen. Doch häufig wird dabei übersehen, dass es sich bei diesen Angaben um einen Bruttowert handelt, der erst in der Zukunft fällig wird. Die Rente fällt also zwei gefräßigen Nagetieren zum Opfer: der Inflationsrate und staatlichen Abgaben. Wie berechnen jetzige und zukünftige Rentner Steuern, Sozialabgaben und die Wirkung der Inflation auf ihre Rente?
Schritt 1: Kaufkraftverlust durch Inflation berechnen
Je weiter der Renteneintritt in der Zukunft liegt, desto schwerer wiegt das Thema Inflation. Wenn ein Arbeitnehmer, der in 30 Jahren in Rente geht, heute den Bescheid erhält, dass er bei realistisch prognostizierten Gehalts- und Rentensteigerungen eine monatliche Rente von 2500 Euro bekommt, sieht das auf den ersten Blick völlig in Ordnung aus. Vielleicht hat der Arbeitnehmer bis dahin ein eigenes Häuschen und ein bisschen was auf der hohen Kante. Dann sollte er im Alter doch ganz gut über die Runden kommen, sollte man meinen.
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Doch 2500 Euro werden im Jahr 2052 deutlich weniger wert sein als heute, weil die Inflation die Kaufkraft dieser Summe schmälert. Die Höhe der monatlichen Rente muss also zunächst „diskontiert” oder „abgezinst” werden: Es muss berechnet werden, wie hoch die Kaufkraft von 2.500 Euro im Jahr 2052 ist. Und da kommt der erste Schock: Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2 Prozent sind 2500 Euro gemessen in heutiger Kaufkraft im Jahr 2052 nur noch 1380 Euro wert, bei durchschnittlich 3 Prozent wären es sogar nur rund 1030 Euro. Um die Kaufkraft von heute zu besitzen, müsste der angehende Ruheständler eine monatliche Rente zwischen 4528 und 6068 Euro erhalten. Und davon ist er weit, weit entfernt. Um den Kaufkraftverlust durch die Inflation zu berechnen, nutzt man am besten einen Inflationsrechner wie diesen hier.
Schritt 2: Sozialabgaben auf die Bruttorente prüfen
Und da kommt schon das zweite Problem: Die Summe aus dem Rentenbescheid entspricht nicht der Summe, die der Ruheständler aufs Konto überwiesen bekommt. Denn Rentner zahlen auf ihre Bruttorente noch bestimmte Sozialabgaben: Zwar fallen die Beiträge für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung weg, wenn der Rentner die Regelaltersgrenze bereits erreicht hat. Trotzdem behält die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bei Versicherungspflicht die Hälfte der Kranken- und die vollen Pflegeversicherungsbeiträge von der Rente ein, die andere Hälfte wird von der DRV selbst übernommen. Somit fallen für einen gesetzlich pflichtversicherten Rentner durchschnittlich rund 11 Prozent an Sozialabgaben an: 7,3 Prozent für die Krankenversicherung, durchschnittlich 0,65 Prozent für den kassenindividuellen Zusatzbeitrag und 3,05 Prozent für die Pflegeversicherung (für Kinderlose 3,4 Prozent).
Schritt 3: Individuellen Rentenfreibetrag ermitteln
Doch damit nicht genug. Denn zusätzlich zu den Sozialabgaben zahlen Ruheständler auch Einkommensteuer auf ihre Rente. Allerdings muss nicht die volle Rente versteuert werden, da es zwei Freibeträge gibt. Der erste ist der sogenannte „Rentenfreibetrag”. Dieser hängt davon ab, in welchem Jahr ein Rentner in den Ruhestand gegangen ist: Wer im Jahr 2005 oder früher in Rente gegangen ist, muss 50 Prozent seiner Rente versteuern, die andere Hälfte bleibt steuerfrei. Der Rentenfreibetrag beträgt also 50 Prozent der ersten Jahresbruttorente. Wer im Jahr 2040 oder später in Rente gehen wird, muss 100 Prozent seiner Rente versteuern. Der Rentenfreibetrag beträgt also 0 Prozent der ersten Jahresbruttorente. Zwischen 2005 und 2039 sinkt der Rentenfreibetrag ausgehend von 50 Prozent jährlich um 2 Prozentpunkte, um schließlich im Jahr 2040 bei 0 anzukommen.
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Wichtig hierbei: Der Rentenfreibetrag ist ein fester Betrag in Euro, der auch in den folgenden Jahren unverändert bleibt. Er wird immer anhand der ersten vollen Jahresbruttorente ermittelt. Wer zum Beispiel im Oktober 2023 in Rente geht, für den wird der Freibetrag aus der vollen Jahresbruttorente des Jahres 2024 ermittelt. Für 2024 sind 16 Prozent steuerfrei. Wer also im Jahr 2024 eine erste volle Jahresbruttorente in Höhe von 20.000 Euro erhalten hat, der hat einen individuellen Rentenfreibetrag von 3200 Euro. Auf diesen Freibetrag muss der Rentner für den Rest seines Lebens Jahr für Jahr keine Steuern mehr zahlen.
Schritt 4: Zu versteuernde Bruttorente ermitteln
Beispiel: Frau Wagner ist im Oktober 2000 mit 1000 Euro pro Monat in Rente gegangen, ihre erste volle Jahresbruttorente im Jahr 2001 betrug 12.000 Euro. Da sie vor 2005 in Rente ging, liegt ihr persönlicher Rentenfreibetrag bei 50 Prozent dieser Summe, also bei 6000 Euro. Dieser Freibetrag ist nun für den Rest ihres Lebens fix. Jetzt will Frau Wagner ausrechnen, auf welchen Teil ihres Einkommens sie im Jahr 2022 Steuern zahlen muss. Nehmen wir an, dass ihre Rente durch Erhöhungen heute bei 1.500 Euro im Monat liegt. Im Jahr 2022 erhielt Frau Wagner also eine Jahresbruttorente von 18.000 Euro, weitere Einkünfte hat sie nicht. Davon kann sie nun ihren individuellen Rentenfreibetrag von 6000 Euro abziehen. Ihre zu versteuernde Bruttorente liegt also bei 12.000 Euro. (Andere steuerlich mildernde Werte wie die oben genannten Sozialabgaben oder Pausch- und Entlastungsbeträge außen vorgelassen. Ebenfalls nicht berücksichtigt ist der sogenannte „Rentenanpassungsbetrag”. Diesen kann man sich von der DRV Jahr für Jahr zuschicken lassen und dann einfach in die Steuererklärung eintragen.)
Schritt 5: Steuerlichen Grundfreibetrag abziehen
Allerdings zahlt Frau Wagner auch nicht auf die vollen 12.000 Euro Steuern. Denn für sie gilt – wie für alle anderen Bürger im Land auch – der steuerliche Grundfreibetrag. Dieser lag im Jahr 2022 bei 10.347 Euro, im Jahr 2023 steigt er auf 10.908 Euro. Dieser muss also noch von obiger Summe abgezogen werden. Im Ergebnis bedeutet das, dass Frau Wagner nur auf 1653 Euro ihrer 18.000 Euro Rente Steuern zahlen muss. Da der Einstiegssteuersatz bei 14 Prozent liegt und progressiv steigt, dürfte ihre zu zahlende Einkommensteuer bei etwas über 230 Euro liegen.
Anhand dieser Eckwerte kann sich jeder grob ausrechnen, wie hoch die Bruttorente zukünftig sein muss, damit sie zum Leben ausreicht. Wer keine Lust hat, all diese Berechnungen eigenhändig durchzuführen, der kann einen Rechner bemühen. Zum Beispiel bietet die bayrische Finanzverwaltung einen Alterseinkünfte-Rechner an, mit dem Rentner ihre Einkommensteuer ermitteln und ihre steuerliche Situation insgesamt klären können. Dieser gilt bundesweit und findet sich unter diesem Link.