Gesundheitsversorgung

Streit um Zukunft von Kliniken in Deutschland geht weiter

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Die Gesundheitsminister haben sich bei einem Treffen in wichtigen Punkten noch immer nicht einigen können. Dabei gibt es vor allem einen zentralen Streitpunkt.
Veröffentlicht:06.07.2023, 12:58

Von:
  • Katja Korf
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Bund und Länder sind in wichtigen Punkten weiter uneins über die Zukunft der Krankenhäuser in Deutschland. Bei einem Treffen in Friedrichshafen habe man sich angenähert, aber auch sechs bislang ungelöste Streitfragen identifiziert.

Besonders ländlicher Raum in Gefahr

Ob eine Einigung wie geplant am Montag gelingt, sei offen, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einer Pressekonferenz am Donnerstag im Graf-Zeppelin-Haus. Demonstranten warfen ihm und seinen Amtskollegen vor, durch ihre Politik die Gesundheitsversorgung besonders in ländlichen Regionen zu gefährden.

Bund und Länder arbeiten seit mehreren Monaten an einer Reform der Kliniklandschaft. Ziel ist es, die Finanzierung vor allem durch Fallpauschalen zu verändern. Unter anderem hatte diese dazu geführt, dass etwa in Baden-Württemberg jedem dritten Krankenhaus die Pleite droht.

Die Länder sind sich mittlerweile einig und gehen mit einem gemeinsamen Papier in die Verhandlungen. Die Konfliktlinie verläuft daher zwischen den 16 Landesministern und dem Bund.

„Wir haben sechs Punkte identifiziert, in denen wir uns nicht aufeinander zubewegt haben. Wir können diese Probleme am Montag lösen, es kann aber auch sein, dass wir dann noch keine Eckpunkte für eine Reform haben“, sagte Lauterbach. „Wir können aber keine faulen Kompromisse eingehen.“

Finanzsorgen bleiben ungelöst

Details zu diesen Streitpunkten nannten die Minister nicht. Ein zentraler Konflikt: Die Länder wollen die Hoheit über die Planung von Klinikstandorten behalten. „Vom Verfassungsrecht her gibt es keinen Zweifel, die Planungshoheit liegt bei den Ländern. Jeder Versuch, das etwa durch die Hintertür auszuhebeln, könnte dazu führen, dass dieses Gesetz wieder vor Gericht landet, wie das zuletzt ja bereits passiert ist“, sagte Bayerns Staatsminister für Gesundheit, Klaus Holetschek (CSU).

Sein baden-württembergischer Amtskollege Manfred Lucha (Grüne) betonte: „Wir Länder sind für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung zuständig“, deshalb müssten sie auch über wichtige Fragen entscheiden.

Ein weiteres ungelöstes Problem ist die Frage, wie die akuten Finanzsorgen der Kliniken gelöst werden können. „Wir müssen verhindern, dass systemrelevante Krankenhäuser schon vor einer Reform schließen müssen“, sagt Lucha. „Wir dürfen die besondere Lage jener Kliniken nicht außer Acht lassen, die eine gute Leistung bieten, aber wegen Sonderentwicklungen wie den Pandemie- und Kriegsfolgen in eine Schieflage geraten sind. Das Problem ist auch vom Bund erkannt, aber wir haben noch keine gemeinsame Lösung“.

Länder haben Angst um Personal

Eine weitere Streitfrage: Wann sollen Daten zur Arbeit der Kliniken bundesweit veröffentlicht werden? Lauterbach hatte eine Expertengruppe Kriterien dazu erarbeiten lassen, etwa die Häufigkeit, in der eine Haus bestimmte Behandlungen durchführt, die Komplikationsrate oder die Ausstattung mit Fachpersonal. Ein Onlineportal soll aus Sicht Lauterbachs möglichst rasch solche Daten für alle Kliniken in Deutschland abbilden.

Die Länder fürchten aber, dass Kliniken mit verhältnismäßig schlechten Werten dann weniger Patienten bekommen und weiter in die roten Zahlen rutschen sowie Personal verlieren. Sie wollen deshalb möglichst mit der Veröffentlichung warten, bis die Reform selbst in Kraft getreten ist und Wirkung zeigt.

Dazu sagte Lauterbach, bis zu diesem Zeitpunkt vergingen noch mindestens drei Jahre: „Bis dahin werden 1,5 Millionen Menschen an Krebs erkranken. Ich möchte, dass diese Menschen sich auch schon darüber informieren können, wo wie oft welcher Krebs behandelt wird, wie hoch Komplikationsraten sind oder welches Pflegepersonal es gibt.“ Solche Daten nicht zu veröffentlichen, um Kliniken keine Schwierigkeiten zu machen, halte er für „ethisch nicht vertretbar“.

Bayerns Minister Holetschek warnte: „Wir sind natürlich auch für Transparenz und Qualität. Man muss aber schon aufpassen, wie man darüber spricht. Ein kleines Krankenhaus ist nicht zwangsläufig ein schlechtes – und auch Erreichbarkeit ist ein Qualitätskriterium.“

Schmähpreis für Karl Lauterbach

Nun sollen über das Wochenende weiter Gespräche folgen. Am Montag treffen sich Vertreter der Länder, darunter Lucha als Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz, mit Lauterbach und den Fachpolitikern der Bundestagsfraktionen. Sie sollen versuchen, eine Einigung zu erzielen. Lauterbach hat den Ländern dazu in Friedrichshafen Kompromissvarianten skizziert.

Vor dem Haus demonstrierten rund zwei Dutzend Personen gegen die aktuelle Gesundheitspolitik, darunter das „Bündnis Klinikrettung“. Sie verliehen Lauterbach die „Goldene Abrissbirne“ für seinen Kurs, kleine Häuser zugunsten größerer Zentralstandorte zu schließen.

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