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Krankenhausreform

Ambulant statt stationär — Richtungswechsel in den Kliniken

Berlin/Schwerin / Lesedauer: 3 min

Keiner weiß so richtig, in welche Richtung es geht – aber alle Beteiligten wissen, dass es in der Krankenhauslandschaft Veränderungen geben muss. Dabei wird ein Szenario immer klarer.
Veröffentlicht:25.05.2023, 12:12

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Im medizinischen Notfall zählt jede Sekunde – ob im Flächenland Mecklenburg–Vorpommern oder in Ballungszentren in Nordrhein–Westfalen. Aber: Im dünnbesiedelten Nordosten des Landes brauchen 95 Prozent der Bürger 30 Minuten zum nächsten Krankenhaus, tief im Westen der Republik sind es zehn Minuten weniger. Mit anderen Worten: „37 Kliniken in Mecklenburg–Vorpommern sind keine überdimensionierte Krankenhauslandschaft. Obwohl wir eine Krankenhausreform begrüßen und endlich wieder die Gesundheit statt der Ökonomie im Vordergrund stehen muss, sind Klinikschließungen bei uns definitiv keine Option“, betonte Jutta Bieringer, Chefin der MV–Landesvertretung in Berlin, zu Beginn eines Parlamentarischen Abends zum Thema Krankenhausreform.

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Torsten Koplin, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im MV–Landtag, weiß aus Gründen demographischer Veränderungen, rückläufiger Fallzahlen und rasanter medizinisch–technischer Entwicklungen, dass eine Reform unabdingbar sei. Zumal wegen der Kostenentwicklung offenbar in zunehmendem Maße Krankenhäuser wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand stünden. Doch sieht Koplin auch durchaus Chancen, die eine Reform speziell für Mecklenburg–Vorpommern bieten könnte. 

So könnten vor allem auf den vorgesehenen Versorgungsstufen 1 und 2 stationäre, ambulante und pflegerische Versorgung miteinander verknüpft werden, etwas, dass schon lange fällig sei. Hintergrund: Die Krankenhäuser sollen laut der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eingesetzten Kommission zur Erarbeitung einer Krankenhausreform in vier Versorgungsstufen aufgeteilt werden – von kleinen regionalen Häusern bis hin zu den großen Maximalversorgern wie beispielsweise den beiden Uni–Kliniken in Rostock und Greifswald. 

Grundsätzlicher Richtungswechsel nötig?

In diesem Zusammenhang sei laut Koplin die Aussage des Koordinators der Regierungskommission, Prof. Dr. Tom Bschor, auf dem Parlamentarischen Abend beachtlich, wenn er dort erklärte, „dass zukünftig die Mindestmengenregelungen für die Durchführung von medizinischen Leistungen an einem Krankenhaus mit wenigen Ausnahmen keine Rolle mehr spielen werden“. Seien es doch gerade diese Regelungen, die wie bei der Frühchenversorgung am Klinikum Neubrandenburg Strukturen der medizinischen Versorgung zerstörten und die Ausbildung von Ärzten sowie Pflegepersonal verhinderten, machte der Linkspolitiker deutlich. Um die Krankenhäuser in der jetzigen schwierigen Phase überhaupt wirtschaftlich am Leben zu erhalten, forderte Koplin einen Stabilitätsfonds.

Bschor mahnte hinsichtlich der künftigen Krankenhauslandschaft einen grundsätzlichen Richtungswechsel an. „Wir müssen die vollstationären Leistungen ambulantisieren.“ Es sei eine deutsche Spezialität, immer alles stationär behandeln zu wollen. Andere Länder würden wesentlich mehr auf ambulante Versorgung setzen. Der grundsätzliche Trend gehe zur Zentralisierung und Spezialisierung – große und komplexe medizinische Eingriffe finden in entsprechenden Fachabteilungen in großen Kliniken statt, kleine Eingriffe in kleinen Krankenhäusern beziehungsweise in regionalen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ).

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Dazu aber – und da waren sich auch Uwe Borchmann, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft MV, und Gudrun Kappich, Geschäftsführerin des Dietrich–Bonhoeffer–Klinikums in Neubrandenburg, bei der Veranstaltung in Berlin einig, müssten die niedergelassen Ärzte in der Fläche mit ins Boot geholt werden. Borchmann sprach sich sogar für eine „Pflicht zur Kooperation“ zwischen Niedergelassenen und Kliniken aus: „Man könnte bei jeder Niederlassung vorschreiben, dass sich die Praxisinhaber am stationären System beteiligen müssen“, so Borchmann. Wo es nicht genügend Patienten für Niedergelassene und Krankenhäuser gebe, sollte das Krankenhaus bei der ambulanten Versorgung den Vorrang haben.

Drese: Regionale Besonderheiten müssen berücksichtigt werden

Am Ende des Abends sendete die sozialdemokratische Landesgesundheitsministerin Steffi Drese eine eindringliche Botschaft an ihren Parteifreund, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. „Die Krankenhausreform muss den Ländern die Chance geben, regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Die Planungshoheit in der Krankenhauslandschaft liegt bei den Ländern“, mahnte Drese Öffnungsklauseln bei der Reform an.