Ampel droht der nächste Energie–Streit
Berlin / Lesedauer: 6 min

Carsten Korfmacher
Der Dauerstreit in der Regierungskoalition um den richtigen Kurs in der Energiepolitik geht in die nächste Runde: Gegenüber dem Nordkurier machten die Ampel–Partner deutlich, dass sie sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Ausarbeitung des sogenannten Energieeffizienzgesetzes haben, das unter Federführung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erarbeitet wurde.
Bedenken aus Wirtschaft und Wissenschaft
Auch in der Opposition rufen die Vorschläge teils herbe Kritik hervor. Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass der Energieverbrauch in Deutschland bis 2030 um 22 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau sinken soll, unabhängig davon, ob diese Energie aus regenerativen oder fossilen Quellen stammt. Auch Unternehmen sollen dabei in die Pflicht genommen werden.
Zuletzt hatte es Bedenken aus Wirtschaft und Wissenschaft bezüglich der wirtschaftlichen Folgen eines solchen Energieeinsparzwangs gegeben. Der Präsident des Ifo (Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest) bezeichnete das Gesetz als einen Wachstumskiller für die deutsche Wirtschaft. Nach einer Ifo–Analyse könnten die notwendigen Energieeinsparungen zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 14 Prozent führen. Die Deutsche Industrie– und Handelskammer stellte ihre eigenen Berechnungen an und kam zu ähnlichen Ergebnissen.
Für die Grünen ist das Gesetz nicht nur „ein wichtiger Baustein für das Gelingen der Energiewende und damit für mehr Klimaschutz“, sondern auch die Grundlage für eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. „Innovationen und Investitionen werden angereizt und durch eine steigende Nachfrage nach effizienten Technologien und Verfahren werden ganz neue Märkte geschaffen“, sagte die Grünen–Bundestagsabgeordnete Katrin Uhlig. Zudem könnten Unternehmen durch effizientere Verfahren und Prozesse laufende Kosten senken und sich zukunftsfähig aufstellen.
Auch Klimaschäden können zu BIP–Rückgang führen
Wie schon beim Heizungsgesetz stehen die Liberalen dieser Sichtweise diametral gegenüber: „Die fachlichen Einschätzungen der betroffenen Industrien und Unternehmen alarmieren uns“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP–Bundestagsfraktion, Michael Kruse. „Was Deutschland nach schweren Krisenjahren auf keinen Fall braucht, wäre ein Wachstumsverhinderungsgesetz.“ Daher müssten sich alle Maßnahmen in erster Linie wirtschaftlich rechnen und diesbezüglich habe der Entwurf „deutliches Optimierungspotential“. Es gehe also wieder einmal „darum, einen Entwurf von Minister Habeck auf Praktikabilität und Bezahlbarkeit zu trimmen“, so Kruse.
Die SPD stellt sich in der Energieeffizienzfrage grundsätzlich an die Seite der Grünen, sieht aber ebenfalls Verbesserungspotenzial: „Der Gesetzentwurf ist gut, der Bundestag wird ihn besser machen“, sagte der SPD–Bundestagsabgeordnete Robin Mesarosch. Im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum müsse bedacht werden, dass „es zu einem Rückgang des BIP führt, wenn der Klimawandel voll durchschlägt“.
In Deutschland seien viele Energieeffizienzpotenziale noch nicht gehoben. „Und da müssen wir inzwischen leider mit Verpflichtungen ran, da es der Markt offenkundig nicht regelt“, so Mesarosch. Das könne für einige „Unternehmen anfangs anstrengend sein“, doch der Anspruch müsse sein, „diese Herausforderungen bewältigbar zu halten“. Denn „andere Nationen laufen uns in Sachen Effizienz gerade davon“.
Union sieht „Überbürokratisierung“ durch Energie–Gesetz
Das Bundeswirtschaftsministerium, in dem der Gesetzesentwurf erarbeitet wurde, teilt diese Sichtweise: Wenn es nicht gelinge, den Energieverbrauch ambitioniert zu reduzieren, könnten sich durch hohe Preise für fossile Energien und eine weiterhin hohe Energieabhängigkeit deutlich höhere Risiken für das BIP ergeben, teilte die Behörde dem Nordkurier mit. Zum anderen würden auch die Folgen des Klimawandels langfristig hohe Risiken und damit hohe Kosten für die gesamte Volkswirtschaft bergen.
Eine vom Ministerium in Auftrag gegebene Studie komme „zu dem Ergebnis, dass bis 2050 durch den menschengemachten Klimawandel Kosten zwischen 280 und 900 Milliarden Euro entstehen“, heißt es aus der Behörde. Allerdings warnen Experten immer wieder davor, die Folgekosten von Klimaschäden gegen BIP–Risiken zu rechnen, da sich erstere nur schwer durch Anstrengungen auf nationaler Ebene begrenzen ließen und letztere somit ohnehin nicht aufwiegen könnten.
Auch deshalb stellte sich die Opposition gegenüber dem Nordkurier geschlossen gegen den Gesetzesentwurf. Er belaste die Firmen „in unzumutbarer und existenzgefährdender Weise“, sagte die CDU–Bundestagsabgeordnete Anne König. Das Vorhaben gehe „an der Realität für Unternehmen und Arbeitnehmer vorbei“, gefährde „Arbeitsplätze, unsere Wirtschaftskraft und unseren Wohlstand und führt natürlich auch zu höheren Verbraucherpreisen“. Kritisch sieht König insbesondere, dass sich der Entwurf in „Detailvorgaben und Überregulierungen“ verfange und zum Beispiel keine Ausnahmen für kleine und mittelständische Unternehmen vorsehe. „Auch diese Überbürokratisierung bindet Ressourcen, die den Unternehmen dann anderweitig nicht mehr zur Verfügung stehen“, so König.
Gesetz könnte falsche Anreize setzen
Grundsätzlich sei es richtig, Einsparziele für den Energieverbrauch zu formulieren und Effizienzmaßnahmen zu ergreifen. Doch seien die Ampel–Vorgaben „in der Praxis nicht ohne Produktionsdrosselungen umsetzbar“, weswegen „grundlegende Nachbesserungen“ am Entwurf notwendig seien.
Die Linksfraktion im Bundestag beklagt „eine zu starke Fokussierung auf den Endenergieverbrauch“ und schließt sich damit der Kritik von Ifo–Präsident Clemens Fuest an. „Wie Herr Fuest richtig feststellt, ist weniger der Energieverbrauch an sich das Problem, sondern der Verbrauch ineffizienter fossiler Energieträger“, sagte Klaus Ernst, Bundestagsabgeordneter der Linken und Vorsitzender des zuständigen Ausschusses für Klimaschutz und Energie.
So könnte das Gesetz falsche Anreize setzen und zu einer Drosselung der Produktion statt zu einer Umrüstung auf erneuerbare Energieträger führen. „In einem solchen Szenario ist eine schrumpfende Wirtschaftsleistung nicht ausgeschlossen“, so Ernst. „Selbstverständlich“ sei es „wünschenswert und notwendig, dass unsere Volkswirtschaft insgesamt die vorhandene Energie effizienter nutzt“. Das müsse aber „mit einem massiven Ausbau erneuerbarer Energien, Speichertechnologien und einem Ausbau der Netze einhergehen“.
Zukunft des Gesetzes ist derzeit unklar
Die AfD bezeichnete den Gesetzentwurf als „Katastrophe“ für Bürger und Unternehmen. Bezüglich der notwendigen Energieeffizienzsteigerungen zeigten die Zahlen „doch deutlich, dass hier Traumtänzer am Werke sind“, sagte Leif–Erik Holm, wirtschaftspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der AfD–Bundestagsfraktion. „Zu Ende gedacht bedeutet dies, dass Scholz und Habeck Bürgern und Unternehmen den Saft abdrehen oder drosseln, wenn zu viel Energie verbraucht wird.“ Dies würde Unternehmen schneller außer Landes treiben. „Zumindest ein Ziel hätte die Ampel dann erreicht: Eine Wirtschaft, die nicht da ist, verbraucht auch keine Energie“, so Holm.
Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die Ampel–Koalition hat den Gesetzesentwurf bereits im April abgesegnet. Am Donnerstag beriet der Bundestag in erster Lesung den Entwurf, verwies in aber zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Klimaschutz und Energie.