„Terroristische Energie“

Anschlag auf Nord Stream: Jetzt soll die Nato helfen

Berlin / Lesedauer: 3 min

Wer hat die Nord-Stream-Pipelines zerstört? Recherchen führen offenbar zu einer Spur in die Ukraine – und zur Frage: Drohen Anschläge auf LNG-Terminals?
Veröffentlicht:22.05.2023, 18:01

Von:
  • Andreas Becker
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Geheim– und Nachrichtendienste arbeiten im Verborgenen, die Generalbundesanwaltschaft ermittelt und will sich zu einem laufenden Verfahren nicht äußern, Medien recherchieren und versuchen das Geheimnis des Anschlags Ende September vergangenen Jahres auf das Milliarden–Projekt Nord Stream 1 und 2 zu lüften – Zutaten für einen Agententhriller in bester James-Bond-Manier. 

Waren es die US-Amerikaner als erklärte Gegner der Gasleitungen aus Russland quer durch die Ostsee nach Deutschland? Oder haben die Russen ihre eigene Pipeline zerstört, obwohl sie doch jederzeit die Chance gehabt hätten, den Gashahn einfach selbst zuzudrehen?

Oder aber waren es am Ende doch die Ukrainer? Schließlich gab es in Osteuropa viele Gegner des Nord-Stream-Projektes. In Polen, in den baltischen Ländern und eben auch in der Ukraine war die Pipeline bereits vor dem Einmarsch der Russen am 24. Februar 2022 nicht wohl gelitten. Schließlich hatten diese osteuropäischen Staaten als Transitländer an den Gaslieferungen aus Russland in den Westen stets gut mitverdient. Diese Einnahmequelle war durch die Umleitung des Gases aus Russland durch die Nord-Stream-Pipelines größtenteils versiegt.

Im Mittelpunkt steht die „Andromeda“

Vor diesem Hintergrund hat es enorme politische Sprengkraft, wenn Süddeutsche Zeitung, NDR, WDR sowie schwedische, dänische und polnische Medien berichten, dass offenbar zwei Spuren in Militärkreise der Ukraine führen. Im Mittelpunkt steht dabei die „Andromeda“, ein Dickschiff mit mächtig viel Platz unter Deck, das um den Anschlagstag am 26. September 2022 auf der Ostsee unterwegs war.

Das Schiff soll laut der Medienrecherchen von einer Briefkastenfirma in der polnischen Hauptstadt Warschau gemietet worden sein. Diese Firma soll von zwei Ukrainern gegründet und registriert worden sein. Dass an Bord des Schiffes bei den offiziellen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Sprengstoff gefunden worden war, verschärft zumindest den Verdacht, dass die Andromeda an dem Anschlag beteiligt gewesen sein könnte.

Steffen Hebestreit, Regierungssprecher der Ampelkoalition in Berlin, riecht bei einer entsprechenden Anfrage nach einer möglichen Beteiligung der Ukraine die politische Brisanz – und will sich an Spekulationen sowie der Kommentierung von Medienberichten nicht beteiligen. Es gebe drei oder vier Theorien, was die Täterschaft angehe – in Deutschland ermittele der Generalbundesanwalt wegen „verfassungsfeindlicher Sabotage“, sagt der Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz, möchte das „heikle Thema politisch nicht bewerten“.

Behörden gehen von staatlichen Akteuren aus

Gleichzeitig kündigt Hebestreit an, dass das Thema Sicherheit von Gasinfrastruktur beim Nato–Gipfel im Juni eine Rolle spielen werde. Man werde gemeinsam mit den Partner schauen, inwiefern sich die Nato beim Schutz von Pipelines, Versorgungsleitungen oder jetzt auch LNG–Terminals gegebenenfalls stärker engagieren könne. Der Regierungssprecher verwies darauf, dass in Deutschland – ob unter- oder überirdisch – zig Leitungen verlaufen würden. Es sei in dem Zusammenhang sicherlich nicht leistbar, einen Rund-um-Schutz zu gewährleisten. Doch stärker in den Fokus werde dieses Thema schon rücken, so Hebestreit. Schließlich habe man spüren müssen, wie schwer es sei, den Ausfall von Gas– oder auch anderen Energielieferungen kurzfristig zu kompensieren. 

Und noch etwas erwähnenswertes stellte der Sprecher klar: „Es gehört schon eine gehörige Portion terroristischer und auch krimineller Energie dazu, um solche Pipelines auf dem Meeresboden zu zerstören.“ Insofern überrascht es auch nicht, dass die Verantwortlichen in deutschen Sicherheitskreisen von staatlichen Akteuren ausgehen, die drei der vier Nord-Stream-Leitung tief unter der Ostsee gesprengt haben.

Mit anderen Worten: Es müsse mindestens ein Geheimdienst am Sprengkommando im September 2022 beteiligt gewesen.