Kirchentag

Bundespräsident Steinmeier: „Es ist auch Zeit für Waffen“

Nürnberg / Lesedauer: 4 min

Zur Eröffnung des Evangelischen Kirchentags in Nürnberg fand Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier deutliche Worte und forderte einen gerechten Frieden.
Veröffentlicht:07.06.2023, 20:40

Von:
  • Benjamin Lassiwe
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„Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich einmal sagen würde: Es ist auch die Zeit für Waffen.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stand auf dem Nürnberger Hauptmarkt, und wurde deutlich. Kurz zuvor hatte der Kirchentagspräsident und frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den noch bis zum Sonntag unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit“ in Nürnberg stattfindenden 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag eröffnet. Und nun hielt Steinmeier – der vor vier Jahren beinahe selbst noch Kirchentagpräsident geworden wäre – ein Grußwort und verteidigte die deutsche Unterstützung für die Ukraine.

„Wir dürfen nicht so tun, als gäbe es einfache Lösungen“, sagte Steinmeier laut vorab verbreiteten Manuskript. „Ja, wir wollen ein Ende des Schreckens, ein Ende des Krieges, wir wollen Frieden: Aber es muss ein gerechter Friede sein.“ Wenn Russland seine Soldaten zurückziehe, würde der Krieg enden. Wenn dagegen die Ukraine ihre Verteidigung einstelle, wäre das das Ende der Ukraine.

Traditionell der Friedensbewegung nahe

Steinmeiers Worte sind bemerkenswert: Denn die Besucher des Evangelischen Kirchentags stehen traditionell der Friedensbewegung nahe. Worte wie die des Bundespräsidenten wären vor einigen Jahren noch ein Eklat gewesen.

Doch beim stattfindenden Nürnberger Kirchentag ist ohnehin manches anders, als vor der Pandemie: 60.000 Besucher verzeichneten die Veranstalter am Mittwoch, davon etwas mehr als 50.000 mit einer Dauerkarte für alle fünf Tage des Events. Beim letzten Kirchentag, in Dortmund 2019, waren es 80.000 Dauerteilnehmer und 124.000 Besucher insgesamt.

Geschäftsführer Stephan Menzel ging aber davon aus, am Ende des Kirchentags rund 80 Prozent der Dortmunder Zahlen erreichen zu können. „Ich wünsche mir, dass dieser Kirchentag ein Kirchentag der Hoffnung wird“, sagte Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bei der Eröffnungspressekonferenz. „Das ein Signal der Hoffnung für die ganze Gesellschaft von diesem Kirchentag ausgeht.“

Zukunft der Demokratie

Im Zentrum auch des Nürnberger Kirchentags werden neben dem Krieg in der Ukraine indes insbesondere der Klimaschutz und die Zukunft der Demokratie stehen. „Wir werden unsere Freiheit nicht mehr danach beurteilen, wie hoch der Tachometer gehen darf, sondern danach, ob wir uns schöpfungsverträglich fortbewegen“, forderte Bedford-Strohm in der Eröffnungspredigt von den Kirchentagsbesuchern. „Wir werden Gerechtigkeit nicht mehr daran messen, ob das Gehalt der vermeintlichen Leistungsträger hoch genug ist, sondern daran, ob alle Menschen, auch die Schwächsten, in Würde leben können – und zwar überall auf der Welt!“

Während des noch bis zum Sonntag stattfindenden Protestantentreffens werden unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sowie zahlreiche Mitglieder des Bundeskabinetts und des Deutschen Bundestags mit den Besuchern diskutieren. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Friedrich Zorn, wird mit dem grünen Staatssekretär Sven Giegold und dem EKD-Friedensbeauftragten, Friedrich Kramer, über Grenzverschiebungen in der Friedensethik debattieren. Und auch die Sprecherinnen der umstrittenen Klimagruppe „Letzte Generation“, Carla Hinrichs und Aimee van Baalen werden auf mehreren Veranstaltungen zu den Kirchentagsbesuchern sprechen. 

Auch sexueller Missbrauch in der Kirche wird Thema

Weitere Themen sind die Situation von Flüchtlingen, die Zukunft der Demokratie, die Digitalisierung und – wenig überraschend – die eigene Situation der Kirche: Am Samstag findet ein eigener Thementag zum sexuellen Missbrauch statt, und vor dem Hintergrund der Rekord–Austritte, die beide große Kirchen in den letzten Jahren verzeichneten, wird auch die Frage nach der Rolle einer kleiner werdenden Kirche in der Gesellschaft gestellt werden.

Margot Käßmann fehlt in Nürnberg

Eine allerdings hat den Weg nach Nürnberg nicht mehr angetreten. Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, einst der hallenfüllende Star der Kirchentagsbewegung, fehlt in der Frankenmetropole. Eine von ihr mit dem Liedermacher Konstantin Wecker geplante Veranstaltung fand keinen Platz im offiziellen Programm des Protestantentreffens. Daraufhin sagte Käßmann ihre Teilnahme am Nürnberger Protestantentreffen ab. Der Kirchentag bedauere das, so Generalsekretärin Kristin Jahn. Mit dem EKD-Friedensbeauftragten Friedrich Kramer habe man aber einen Anderen, der eine pazifistische Position in die Debatte einbringen werde. 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hob am Mittwoch indes auch die geistliche Bedeutung des Kirchentags hervor: Aus seiner Sicht sei aber „nichts so schön, wie gemeinsam den Glauben bekennen zu können“, so Söder, der der gastgebenden Evangelisch–Lutherischen Kirche Bayerns angehört. Zu Beginn des Nürnberger Protestantentreffens betonte der Ministerpräsident, dass er konsequent gegen die im politischen Berlin diskutierte Ablösung der Staatsleistungen an die beiden Kirchen sei – denn dies würde zu einer Verbannung der Kirchen aus dem öffentlichen Leben führen.