Sabotage

Das Geheimnis der Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines

Berlin / Lesedauer: 4 min

Wer ist für die Sprengung der Nord-Stream-Leitungen im September verantwortlich? Der CDU-Abgeordnete Kiesewetter wagt sich mit einem Verdacht aus der Deckung.
Veröffentlicht:07.02.2023, 05:31

Von:
  • Andreas Becker
Artikel teilen:

Nein, an die USA als Verursacher der Sprengung von drei der vier Gasleitungen tief unter der Ostsee glaubt CDU-Außen- und Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter nicht.

„Die USA haben sich zwar von Anfang an insbesondere gegen Nord Stream 2 positioniert, aber die Sprengung der Pipelines durch die Vereinigten Staaten würde das Vertrauen und damit die gesamte westliche Allianz zerstören, es widerspricht dem Sicherheitsbündnis“, sagte Kiesewetter, Oberst a.D. der Bundeswehr und seit 2009 Mitglied des Bundestages, am Montag im Gespräch mit dem Nordkurier. Eine Beteiligung der USA hätte wohl größere Auswirkungen als der NSA-Skandal vor fast zehn Jahren.

Zur Erinnerung: Der amerikanische Geheimdienst NSA hatte über Jahre viele europäische Spitzenpolitiker belauscht und deren Handy abgehört, darunter auch die damaligen deutschen Regierungsmitglieder Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück.

Mehr lesen: „Merkel unterstützte stets Nord Stream 2”

Kiesewetter: „Es gibt Indizien”

Im Zusammenhang mit dem Pipeline-Anschlag glaubt der CDU-Mann auch nicht an eine Beteiligung Polens oder der Ukraine. Diese Länder hätten dann jedes Vertrauen verspielt und würden alte Vorurteile aufleben lassen.

Natürlich habe er keine hundertprozentigen Hinweise auf die Verwicklungen Russlands und man könne auch nichts ausschließen – „aber es gibt Indizien“. Dazu zählt Kiesewetter beispielsweise, dass eine der beiden Röhren von Nord Stream 2 offenbar unbeschädigt blieb und somit weiterhin als Druckmittel Russlands diene, Sanktionen aufzuheben.

Mehr lesen: So lief das Milliardengeschäft mit Nord Stream 2

Abschnitt wurde von russischen Firmen gebaut

Auch der Zeitpunkt der Sabotage in Nähe zur Einweihung der neuen Gaspipeline Baltic Pipe sei ein Indiz. Aus sicherheitspolitischer Perspektive habe lediglich Russland ein Interesse an der Sabotage. Es diene der Bedrohung und Abschreckung, der Manipulation der Energiemärkte und stärke innenpolitisch das Feindbild, so Kiesewetter. „Zudem entspricht es dem Modus operandi Russlands, mit terroristischen Akten vorzugehen.“

Vor diesem Hintergrund brisant: Laut Nordkurier-Informationen soll bei dem Pipeline-Anschlag ein Abschnitt der Gasleitung betroffen sein, der ausschließlich mit russischen Firmen und mit russischem Material gebaut worden sei. Damit hätten die Russen auch kein „fremdes Material“ zerstört, sofern sie die Täter waren.

Eigene Ermittlungen von Schweden und Dänemark

In der Endphase des Pipeline-Baus war die umstrittene Klima- und Umweltschutzstiftung in Mecklenburg-Vorpommern gegründet worden, um US-Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gasleitung zu gewährleisten. Die „Mogelstiftung“ – so deren Kritiker – hatte einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unter ihrem Dach initiiert und diente mit einem Umsatz von rund 165 Millionen Euro quasi als Materiallager für den Pipeline-Bau. Als Startkapital für die Stiftung hatte der russische Energieriese und Pipeline-Eigentümer Gazprom 20 Millionen Euro gezahlt.

Im Gegensatz zu CDU-Mann Kiesewetter bezweifelt Generalbundesanwalt Peter Frank die Beteiligung Russlands am Anschlag auf die Pipelines. Die deutschen Ermittler hätten zum jetzigen Zeitpunkt keine Belege dafür, dass Russland hinter den Explosionen an Nord Stream 1 und 2 stecke. „Das ist derzeit nicht belegbar, die Ermittlungen dauern an“, sagte Frank der „Welt am Sonntag“. Mithilfe zweier Forschungsschiffe seien Wasser- und Bodenproben sowie Reste der Pipelines entnommen, der Tatort sei auch umfassend dokumentiert worden.

Ende September waren nach Explosionen nahe Bornholm insgesamt vier Lecks an den beiden Leitungen entdeckt worden. Die schwedischen Sicherheitsbehörden hatten im November festgestellt, dass es sich um schwere Sabotage gehandelt habe, ohne einen Schuldigen zu benennen. Die Explosionsstellen liegen in internationalen Gewässern in den Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens. Beide Länder führen ihre eigenen Ermittlungen. „Wir stehen aber in Kontakt“, sagte Frank.

Mehr lesen: Warum Russland den Energiekrieg verliert

„Russland-Romantik der SPD in der Kritik

Dass es überhaupt zu einer Beteiligung der deutschen Firmen Wintershall und Uniper am Bau von Nord Stream 2 gekommen sei, hält Kiesewetter für einen „politischen Skandal“. Damit meint er besonders die 2015 – nach der russischen Annexion der Krim – vom damaligen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gegebene „Bürgschaft“ für das riskante Russland-Geschäft Wintershalls. Mit mehreren Milliarden Euro Staatsgarantien habe Gabriel das Russland-Investment abgesichert, so Kieswetter.

Insgesamt hatten Uniper und Wintershall jeweils eine Milliarde Euro in die Pipeline investiert. Geld, das mittlerweile abgeschrieben und in der Ostsee versenkt worden ist. Der CDU-Politiker verurteilte auch grundsätzlich die langjährige „Russland-Romantik“ von SPD-Politikern wie Gabriel, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sowie Ex-Kanzler und Gazprom-Lobbyist Gerhard Schröder. „Dort hat es von russischer Seite eine ganz gezielte politische Einflussnahme gegeben“, sagte Kiesewetter.