Immobilien–Preise
„Der Staat muss den 'kleinen Mann' fördern“
Berlin / Lesedauer: 4 min

Carsten Korfmacher
Rechnen Sie in den kommenden Monaten noch mit stark steigenden Bauzinsen?
Für die Bauzinsen relevant ist die zehnjährige Bundesanleihe, die liegt momentan bei etwa 2,3 Prozent. Darauf schlagen Banken ihre eigene Zinsmarge von 1,0 bis 1,5 Prozent, so dass wir derzeit bei rund 3,5 Prozent liegen. Ich rechne damit, dass die Bauzinsen im Laufe des Jahres noch auf 4 Prozent steigen können, aber ich sehe derzeit keine Anzeichen für Zinssätze um 5 Prozent oder höher.
Welche Faktoren sind für die weitere Zinsentwicklung ausschlaggebend?
Wichtig wird der Übersetzungsmechanismus zwischen den Zinserhöhungen der EZB und der Entwicklung der Inflation in Deutschland und Europa. Durch die gestiegenen Notenbankzinsen kühlt die Wirtschaft ab, wodurch die Inflation sinken sollte. Wenn das der Fall ist, wird die EZB auch die Leitzinsen nicht weiter anheben. Dafür braucht es aber Zeit. Und in dieser Zeit erleben wir bei den Bauzinsen eine Seitwärtsbewegung — aber unter relativ starken Schwankungen.
Im Vergleich zu den letzten 10, 15 Jahren sind Bauzinsen um die 4 Prozent eine schwere finanzielle Bürde für Bürger, die ein Eigenheim kaufen wollen. Was erleben Sie derzeit, wie gehen Immobilieninteressierte damit um?
Das ist in der Tat eine gefährliche Entwicklung. Gehen wir das mal ganz grob durch: Der Markt für Baufinanzierungen ist um rund 35 Prozent geschrumpft. Pauschal kann man sagen, dass die 35 Prozent der finanziell schwächsten Immobilieninteressierten aus dem Markt gedrängt wurden, weil sie die hohen Kosten nicht mehr schultern können. Aber wer sind diese Leute? Das sind Normalverdiener, Familien oder kleine Kapitalanleger, die etwas für ihre Rente tun wollen.
Gleichzeitig sind auch die Immobilienpreise zumindest leicht gesunken. Gleicht das den Anstieg der Bauzinsen aus?
Nein, keineswegs. Die Kaufpreise sind zwischen 6 und 10 Prozent zurückgegangen. Der Zins hat sich aber verdreifacht, in der Spitze sogar vervierfacht. Die monatliche Belastung steigt dadurch massiv. Wir haben dazu Beispielrechnungen durchgeführt. Bei einer Durchschnittsimmobilie, für die Käufer früher 300 Euro Zinsen pro Monat bezahlt haben, zahlen sie heute über 900 Euro, obwohl sie teils deutlich mehr Eigenkapital zuschießen. Die eigentliche Tilgung kommt ja noch oben drauf. Große Objekte oder Neubauten sind für die meisten Bürger deshalb gar nicht mehr drin.
Und wenn Käufer auf ältere Gebäude ausweichen, drohen hohe Nachfolgekosten durch energetische Zwangssanierungen.
Ganz genau, das ist das Anschlussproblem, das viele Normalverdiener haben werden, die heute eine Immobilie kaufen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin nicht gegen den Klimaschutz. Die Energiewende kommt und das ist richtig. Aber das darf nicht zu Lasten der Wohlstandsverteilung gehen. Der Staat muss „den kleinen Mann“ fördern. Die Deutschen gehören im EU–Vergleich, gemessen am Kapitalvermögen, mit zu den ärmsten Einwohnern Europas. Das ist doch absurd. Und warum? Weil die Wohneigentumsquote hier so niedrig ist. Das muss sich schleunigst ändern.
Welche Möglichkeiten gibt es, um Normalverdiener zu fördern?
Ein großes Problem sind die jetzt höheren Eigenkapitalanforderungen. Früher kam man mit 10 Prozent des Kaufpreises aus, viele haben sogar auf 100 oder 110 Prozent finanziert, so dass gar kein Eigenkapital nötig war. Heute erwarten die meisten Banken 20 Prozent Eigenkapital. Das können viele Menschen nicht stemmen. Hier wäre es hilfreich, wenn zum Beispiel zinsgünstige KfW–Kredite als Eigenkapital eingestuft würden. Dann muss es steuerliche Erleichterungen für Eigenheimkäufer geben. Vermieter können zum Beispiel Zinsen oder Sanierungskosten von der Steuer absetzen. Warum können Eigennutzer das nicht? Auch über einen Verzicht auf die Grunderwerbssteuer für Erstkäufer könnte man nachdenken.
Wie gehen Immobilieninteressierte mit der neuen Situation um?
Es kommt drauf an, wie lange die Leute schon suchen. Wer jetzt neu in den Markt kommt, für den sind die Preise und Zinsen normal. Interessenten, die vor zwei Jahren schon mal gesucht haben und jetzt wieder suchen, sind völlig schockiert von den neuen Bedingungen. Für viele wäre es Anfang 2022 noch gegangen, Ende 2022 aber nicht mehr, weil die Zinsen so stark gestiegen sind. Wir werten auch die Statistiken auf unserer Website aus und stellen fest, dass heute weniger Leute mit einem Berater sprechen wollen, nachdem sie einen Baufinanzierungsrechner benutzt haben. All das zeigt, dass die finanzielle Leistbarkeit bei vielen Interessenten nicht mehr gegeben ist. Man darf aber nicht unterschätzen, wie viele Menschen es gibt, die viel Geld haben, vor allem in den Städten. Die zahlen einfach einen Teil des Kaufpreises ausdem Eigenkapital, deswegen spielen die gestiegenen Zinsen für sie keine so große Rolle. Das Problem ist nur: Die meisten Bürger können das nicht.