Letzte Generation

Ermittlungen gegen Polizisten - Carla Hinrichs mit Schusswaffe bedroht?

Berlin / Lesedauer: 4 min

Haben Polizisten eine Waffe auf Hinrichs gerichtet? Dem Nordkurier liegt die Anzeige gegen die Einsatzkräfte vor. Was Polizei, Anzeigensteller und ein Anwalt dazu sagen.
Veröffentlicht:27.05.2023, 08:04

Von:
  • Philippe Debionne
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Die Polizei Berlin hat Ermittlungen gegen Polizisten eingeleitet, die bei der Razzia gegen die Letzte Generation im Einsatz waren. Dem Nordkurier liegt die Anzeige vor. Gestellt wurde sie von dem ehemaligen Berliner FDP-Abgeordneten und jetzigem Chef der Good Governance Gewerkschaft, Marcel Luthe. Die wegen der Anzeige eingeleiteten Ermittlungen richten sich gegen Beamte, die die Wohnung durchsuchten, in der sich Carla Hinrichs während der Razzia aufhielt.

War die Polizei mit Bodycams ausgerüstet?

Hinrichs hatte nach dem Einsatz ein Video geteilt, das bei Twitter viral ging und in dem sie sagte: „Plötzlich steht ein Polizist mit schusssicherer Weste an deinem Bett und richtet eine Waffe auf dich.” Ein Polizeisprecher sagte am Freitag: „Nach den öffentlichen Äußerungen der Betroffenen Frau Hinrichs zur Vorgehensweise der Einsatzkräfte wurde über die Internetwache der Polizei Berlin eine Strafanzeige erstattet.” Weitere Auskünfte dazu wollte die Polizei mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht geben.

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Dem Nordkurier liegt die Anzeige vom 24.05.2023 vor. Darin heißt es, in besagtem Video behaupte „Frau Hinrichs, eine oder mehrere Dienstkräfte (...) hätten die Dienstwaffe auf sie gerichtet, was demnach zudem völlig anlasslos geschehen wäre.” Und weiter: „Hier käme also entweder eine Nötigung, jedenfalls aber ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen in Betracht.” Auf der anderen Seite könne aber ebenso „eine Strafbarkeit gegeben sein, wenn der durch Frau Hinrichs öffentlich erhobene Vorwurf unzutreffend sein sollte.”

Bedrohung oder Nötigung?

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Bei der Razzia wurden nach Nordkurier-Informationen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Einheiten mit Bodycams zur Videoaufzeichnung eingesetzt. Da „zudem die Zeugenlage umfangreich sein dürfte, gehe ich davon aus, dass der Tatvorwurf sich im Interesse des Ansehens der Polizei Berlin unverzüglich wird aufklären lassen”, heißt es in der Anzeige. Und weiter: „Zudem wird Frau Hinrichs sicher in der Lage sein, den oder die Beamten, die eine Waffe auf sie gerichtet haben sollen, zu identifizieren.”

Der Nordkurier sprach mit Marcel Luthe, der die Anzeige stellte. Er sagte: „Der Vorwurf der Bedrohung oder gar Nötigung mit einer Waffe ist keine Kleinigkeit. Wenn das wahr wäre, hätte ein unprofessioneller Beamter dem Ansehen auch unserer Mitglieder bei der Polizei Berlin massiv geschadet.” 

Verstörende Schilderungen

Die Schilderungen vom Hinrichs klingen tatsächlich verstörend: „Man kann es sich kaum vorstellen. Man kennt es nur aus dem Film. Plötzlich wacht man auf, weil gegen deine Tür gedonnert wird. Und plötzlich steht ein Polizist mit schusssicherer Weste an deinem Bett und richtet eine Waffe auf dich. (...) Das macht Angst.”

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Marcel Luthe, ehemaliges Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, stellte die Anzeige gegen die Polizei.  (Foto: DPA)

Der Rechtsanwalt Mathis Bönte vertrat und vertritt Mitglieder der Letzen Generation. Er sagte dem Nordkurier dazu: „Sollten die Einsatzkräfte tatsächlich mit gezogenen Dienstwaffen in der Wohnung gewesen sein und grundlos (mindestens) eine Dienstwaffe auf die Wohnungsinhaberin gerichtet haben, ist das ein Einschüchterungsversuch, der ganz klar rechtswidrig ist.‟

Offenbar keine Gefahr durch Carla Hinrichs

Bönte weiter: „Aus meiner langjährigen Praxis als Jurist und Strafverteidiger kenne ich so ein Vorgehen bei vergleichbaren Durchsuchungsmaßnahmen nicht. Ein derartiger Einsatz von Dienstwaffen ist nur dann gerechtfertigt, wenn von den Zielpersonen einen Gefahr ausgeht oder diese den Einsatzkräften gefährlich werden könnten. Aber diese Voraussetzung lag und liegt hier eindeutig nicht vor.‟

Ob sich Polizisten bei dem Einsatz, bei dem auch zwei Beamte des bayerischen Landeskriminalamtes dabei waren, strafbar gemacht haben, wird nun also ermittelt. Der Ausgang besagter Ermittlungen ist offen.

Schlichte Lüge zu Propagandazwecken?

Anzeigensteller Marcel Luthe betont: „Sollten die von Hinrichs erhobenen Vorwürfe nicht wahr sein, sondern eine schlichte Lüge zu Propagandazwecken, wäre das nicht nur strafbar, sondern vernichtet auch die allerletzte Glaubwürdigkeit der ‚Letzten Generation‛. Mit meiner Strafanzeige ermittelt nun das LKA 34 für und gegen die Kollegen, so dass wir sicher ganz bald wissen werden, wer hier lügt.”