Energiewende

EU–Plan soll Energiepreise explodieren lassen

Berlin/Brüssel / Lesedauer: 5 min

Forscher haben berechnet, wie sich die Preise für fossile Energieträger entwickeln, wenn der EU–weite Emissionshandel ausgeweitet wird. Die Ergebnisse sind erschreckend.
Veröffentlicht:13.06.2023, 06:00

Von:
  • Carsten Korfmacher
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Die Ampel–Regierung macht beim Klimaschutz ernst: Der Energieverbrauch der Wirtschaft soll gedeckelt werden, der Gebäudesektor muss sich auf teure Zwangssanierungen gefasst machen und mit fossilen Energieträgern betriebene Autos oder Heizungsanlagen werden schrittweise aus dem Verkehr gezogen.

Dies wird sich insbesondere im Gebäudebereich auswirken: Drei Viertel aller Wohnungen in Deutschland werden fossil beheizt, der Einbau einer Wärmepumpe ist teuer und auch aufgrund eines Mangels an Anlagen und Handwerkern für viele Bürger nur schwer zu stemmen. Zudem erfordert der Betrieb einer Wärmepumpe in vielen Fällen eine energetische Gebäudesanierung, weil sonst deutlich höhere Kosten drohen als bei einer vergleichbaren fossil betriebenen Heizung.

Gleichzeitig sind die Marktpreise für Öl und Gas nach der Preisexplosion zu Beginn des Ukraine–Kriegs wieder gefallen. In Anbetracht dieser Tatsachen stellen sich viele Bürger nun die Frage, ob es sich nicht nicht lohnen würde, jetzt schnell noch eine Gasheizung einzubauen oder einen Verbrenner zu kaufen.

Emissionshandelssystem wird ausgeweitet

Doch Vorsicht: Forscher des in Berlin ansässigen Klima– und Wirtschaftsforschungsinstitut „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ (MCC) haben berechnet, wie sich die Preise für Öl, Gas und Kraftstoffe in den kommenden Jahren entwickeln könnten. Hintergrund: Zum 1. Januar 2027 wird das zurzeit lediglich große Industrieanlagen und die Luftfahrt umfassende europäische Emissionshandelssystem auf die Sektoren Verkehr und Gebäude ausgeweitet. Dabei müssen zum Handel verpflichtete Unternehmen Zertifikate für die Emission von CO2 kaufen, deren Preis sich am freien Markt nach Angebot und Nachfrage bildet.

Die Krux dabei: Um ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, senkt die EU die CO2–Obergrenzen Jahr für Jahr ab, wodurch die Zertifikate knapper und dadurch immer teurer werden. Bis 2030 könnte der Emissionshandel „zu Preissteigerungen von Kraft– und Brennstoffen führen, die in ähnlichem Umfang wie in der Energiekrise 2022 liegen“, schreiben die MCC–Forscher in ihrer Studie.

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die Preissteigerungen von einem deutlich höheren Niveau ausgehen werden als vor dem Ukraine–Krieg. Denn schon seit 2021 sind CO2–Zertifikate in Deutschland für die Bereiche Wärme und Verkehr notwendig, diese werden aber zu einem von Jahr für Jahr steigenden Festpreis gehandelt. Während ein Zertifikat im Jahr 2021 noch 25 Euro kostete, soll sich der Preis im Jahr 2026 in einem Korridor zwischen 55 und 65 Euro bewegen. Schon bei 25 Euro pro Tonne hat sich Super um etwa 7 Cent pro Liter erhöht, Diesel und Heizöl um etwa 8 Cent und Erdgas um rund 0,5 Cent pro Kilowattstunde. Bis 2026 werden sich diese Erhöhungen also mehr als verdoppeln.

Und wie sieht es mit dem Beginn des europaweiten Emissionshandels ab 2027 aus? Da der Preis sich dann je nach Angebot und Nachfrage ergibt, ist heute nicht bekannt, womit Bürger zu rechnen haben. Werden fossile Energieträger schnell durch regenerative ersetzt oder werden die Emissionen anderweitig deutlich gesenkt, geht die Nachfrage zurück und die Zertifikate werden günstiger. Sicher ist aber, dass die von der EU bereitgestellte Menge an Zertifikaten einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Preise hat. Und da die EU diese Menge drastisch reduzieren will, um ihre Klimaziele zu erreichen, gehen die MCC–Experten davon aus, dass der CO2–Preis ab 2027 sprunghaft ansteigen wird.

In ihrer Studie haben sich die Berliner Klimaökonomen gefragt, zu welchem Preis die Tonne CO2 gehandelt werden müsste, damit die EU ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2050 auch erreicht. Sie kommen zu dem Schluss, dass der CO2–Preis von heute etwa 80 Euro pro Tonne auf 200 bis 300 Euro im Jahr 2030 und über 400 Euro ab dem Jahr 2040 steigen müsste.

Die Kosten für Verbraucher, die nicht schnell genug auf emissionsfreie Heizungen und Autos umsteigen können, wären immens: Super–Benzin könnte im Jahr 2030 bereits 2,30 Euro kosten und würde sich bis 2045 kontinuierlich der 3–Euro–Marke nähern. Auch Heizen würde deutlich teurer, wie die MCC–Experten prognostizieren: So müsste ein Durchschnittsrentner in einem ölbeheizten Einfamilienhaus im ländlichen Raum — von heute an gerechnet — in einem 10–Jahres–Zeitraum mit Mehrkosten von 8099 Euro kalkulieren, in einem 20–Jahres–Zeitraum von 21.050 Euro. „Für Haushalte, die kurzfristig nicht umsteigen oder in größerem Umfang Energie sparen können, bedeutet der CO2–Preis aber irgendwann eine schwer zu tragende finanzielle Belastung“, so die MCC–Experten.

Kann ein Klimageld Abhilfe schaffen?

Damit die Energiewende in der Bevölkerung nicht nur als Kostenfaktor wahrgenommen wird, soll die Auszahlung eines Klimageldes übergangsweise die schmerzhaftesten Preissteigerungen auffangen sowie klimafreundliches Verhalten belohnen. Das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag der Ampel–Regierung festgeschrieben, das Konzept allerdings noch nicht ausgearbeitet. Bezahlt werden soll es aus den Einnahmen der CO–Bepreisung, die derzeit aber noch für andere Klimaschutz–Förderprogramme vorgesehen sind. Unklar ist außerdem, ob das Klimageld abhängig von Einkommen, Region oder Haushaltsgröße gestaltet wird.

Bei einem einheitlichen Pro–Kopf–Klimageld rechnen die MCC–Experten mit großen Unterschieden: So könnte ein alleinstehender Rentner in einem Einfamilienhaus auf dem Land auf 20 Jahre gerechnet mit einem Klimageld von 4.840 Euro kalkulieren, hätte aber Mehrkosten von 21.050 Euro für die Ölheizung und 7.346 Euro für das Verbrenner–Auto. Eine vierköpfige Familie könnte sich unter ähnlichen Voraussetzungen und Mehrkosten hingegen über ein Klimageld von 19.361 Euro freuen.

Der Unterschied ist durchaus beabsichtigt, schließlich sollen Bürger mit einer hohen Pro–Kopf–Wohnfläche und Autos mit hohem Spritverbrauch stärker zur Kasse gebeten werden. Doch diese Ungleichbehandlung trifft nicht nur reiche Singles in der Stadt, sondern auch arme Witwen auf dem Land. Überhaupt wird es schwierig, das Klimageld sozial gerecht zu gestalten: Denn für wohlhabende Haushalte, die schnell auf die heute noch teuren CO2–armen Technologien wie E–Autos und Wärmepumpen umsteigen können, könnten durch das Klimageld Mehreinnahmen entstehen. Ärmeren Haushalten hingegen kann das Klimageld die Mehrkosten nicht einmal annähernd ausgleichen.