Nord Stream 2

Ex-Chefberater von Merkel lachte einst Trump aus – jetzt gibt er ihm recht

Berlin / Lesedauer: 3 min

Er war zwölf Jahre außenpolitischer Berater der Bundeskanzlerin – jetzt steht Christoph Heusgen vor einer Premiere und bezeichnete eine historische Entscheidung als falsch.
Veröffentlicht:14.02.2023, 12:27
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  • Author ImageAndreas Becker
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Der Mann ist 67 Jahre alt – und schaltet noch lange nicht in den Rentenmodus. Ganz im Gegenteil – Christoph Heusgen hat einen neuen Job und leitet ab Freitag erstmals die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Ein Treffen in einem ganz „besonderen Moment” der Weltpolitik, wie Heusgen am Montag in der Bundespressekonferenz betonte.

Die MSC ist eine seit 1963 jährlich stattfindende internationale Tagung, auf der Politiker, Militär- und Wirtschaftsvertreter, Nichtregierungsorganisationen und Experten für sicherheitsrelevante Themen Gespräche außerhalb diplomatischer und protokollarischer Vorgaben führen. Es ist das weltweit größte Treffen seiner Art und kurz vor dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine politisch enorm aufgeladen. Das zeigt sich allein an den hochrangigen Gästen: Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris – die Liste ist lang und prominent.

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Einer aber wird in der bayerischen Landeshauptstadt definitiv fehlen – der russische Außenminister Sergej Lawrow. „Ihn haben wir nicht eingeladen. Er ist ein Lautsprecher von Putin und wir wollten ihm kein Forum für die russische Propaganda geben”, fand Heusgen als MSC-Chef deutliche Worte. Worte, die man dem langjährigen Top-Diplomaten und damit auch rhetorisch professionell geschulten Heusgen in dieser Klarheit so gar nicht zugetraut hätte.

Damit nicht genug – beim Auftritt am Montag vor der Hauptstadtpresse gab es weitere unmissverständliche Aussagen des einstigen außenpolitischen Chefberaters von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf eine Nordkurier-Frage, wie er die langjährige Unterstützung der deutschen Bundesregierung zum Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 heute einschätze, antwortete Heusgen: „Ich habe heute kein Problem, zu sagen, dass die Entscheidung pro Nord Stream 2 eine falsche Entscheidung gewesen ist.”

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Die Entscheidung sei im Jahr 2015 getroffen worden – auf der Grundlage des deutschen Ausstiegs aus der Atomkraft nach dem Fukushima-Unfall in Japan sowie des Kohle-Ausstiegs und der Tatsache, dass man mit dem Ausbau der Eneuerbaren Energien noch nicht so weit gewesen sei. Und auch LNG-Gas war seinerzeit kein Thema, da es wesentlich teurer als russisches Erdgas gewesen sei, so Heusgen.

Da sich Russland in den Jahrzehnten zuvor stets als zuverlässiger Gaslieferant erwiesen habe, und das Motto Wandel durch Handel gegolten habe, sei der Druck aus Politik aus Wirtschaft, Nord Stream 2 zu bauen beziehungsweise das Projekt zu unterstützen, sehr hoch gewesen, versuchte Heusgen die damalige Entscheidung zu erklären.

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Zur Erinnerung: Heusgen war es auch, der im Jahr 2018 in der UN-Vollversammlung gemeinsam mit dem seinerzeitigen Außenminister Heiko Maas Aussagen von Ex-US-Präsident Donald Trump, Deutschland würde sich durch Nord Stream 2 in die Energieabhängigkeit von Russland begeben, spöttisch belächelt hatte.

Im jetzigen unmittelbaren Vorfeld der Sicherheitskonferenz sprach Heusgen von einem „Zivilisationsbruch” durch Russland. Die internationalen Staatengemeinschaft müsse nun nach dem Überfall auf die Ukraine die Frage beantworten, ob künftig die Stärke des Rechts oder das Recht des Stärkeren gelten solle. Deshalb werde in München auch die Frage im Mittelpunkt stehen, ob man einen Aggressor wie Putin straflos davon kommen lassen dürfe.