Kann Deutschland mit diesem Rentensystem glücklich werden?
Berlin / Lesedauer: 5 min

Carsten Korfmacher
Im Land der Dichter und Denker scheint vieles nicht mehr nach Plan zu laufen. Das Gesundheitssystem wackelt, die Mittelschicht schrumpft, vielen Bürgern droht die Altersarmut und zu allem Überfluss geht nun auch noch das Gespenst der schleichenden De–Industrialisierung um. Es ist wenig verwunderlich, dass die Deutschen derzeit nicht gerade empfänglich sind für Zustände exzessiver Glückseligkeit.
Glücklichsten Menschen sind nordische Nachbarn
Daher könnte sich ein Blick in jene Länder zu lohnen, deren Bevölkerung wesentlich glücklicher ist als die deutsche. Dazu muss man nicht in die Ferne schweifen: Denn in Finnland leben die glücklichsten Menschen der Welt. Zu diesem Schluss kam der Weltglücksbericht, der am Montag anlässlich des Internationalen Tags des Glücks veröffentlicht wurde.
So richtig überraschend war das nicht, schließlich wurden die Finnen bereits zum sechsten Mal in Folge zur glücklichsten Bevölkerung der Erde gekürt. Auf den Plätzen folgten Dänemark, Island, Israel und die Niederlande. Deutschland landete abgeschlagen auf Platz 16.
Angleichung Ost auf West: Mehr Geld für Rentnerinnen und Rentner
Und was genau macht die Finnen glücklicher als andere Nationen? Zwar gehen die Forscher in ihrem Bericht nicht im Detail darauf ein, doch sie haben eine Reihe von Schlüsselfaktoren ausfindig gemacht, die Menschen generell glücklicher machen. Dazu gehören soziale Unterstützung, Einkommen, Gesundheit, Freiheit und die Abwesenheit von Korruption. Das Ranking der Länder mit den glücklichsten Bürgern wurde dann auf Basis von Umfragen zur Lebenszufriedenheit in den letzten drei Jahren erstellt.
Ranking der besten Rentensysteme
Auffällig ist, dass die glücklichsten Menschen in den Ländern mit den besten Rentensystemen leben. Die internationale Unternehmensberatung Mercer vergleicht jedes Jahr die Rentensysteme in 44 Ländern der Welt, die zwei Drittel der Weltbevölkerung abdecken. In diesem Ranking schnitt zuletzt Island am besten ab, auf den Plätzen folgten die Niederlande, Dänemark, Israel und Norwegen. Die glücklichen Finnen landeten auf Platz 7 des Renten–Rankings.
Interessant dabei: Abzüge gab es für die finnische Rente lediglich in der Kategorie „Nachhaltigkeit“, die die Wahrscheinlichkeit bewertet, mit der ein System in der Lage sein wird, auch in Zukunft noch Rentenleistungen zu erbringen. Normalerweise spürt die Bevölkerung ein schlechtes Abschneiden in dieser Kategorie aber nicht in der Gegenwart, sondern erst in der Zukunft.
Das beste Beispiel ist Österreich, das das laut Mercer zukunftsunfähigste Rentensystem der Welt hat, seinen Einwohnern aber eine üppige Rente zahlt. In der Kategorie „Integrität“ wiederum, die bewertet, wie viel Vertrauen die Bevölkerung in ihr Rentensystem haben kann, schnitten die Finnen weltweit am besten ab.
Vertrauen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft
Ein weiterer Punkt fällt auf: Die Länder mit der glücklichsten Bevölkerung sind ausnahmslos für ihre ausgezeichneten Bildungssysteme bekannt. Finnland galt über Jahrzehnte als das Land mit dem besten Bildungssystem der Welt, die restlichen nordischen Staaten glänzen mit ihren frühkindlichen Schuleinschreibungsquoten oder den weltweit höchsten Abschlussraten. Auch Israel pumpt seit Jahren relativ zu seinem BIP deutlich mehr Geld in sein komplexes, innovatives und zukunftsorientiertes Bildungssystem als viele andere Industriestaaten.
Wissenschaftlich wäre es unlauter, auf dieser Basis eine direkte kausale Verbindung zwischen Rente und Bildung auf der einen und Glück auf der anderen Seite zu vermuten. Und doch sind die Überschneidungen frappierend. „Generell korreliert das Vertrauen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft mit einer hohen Lebenszufriedenheit“, sagte Dominik Enste, Professor für Wirtschaftsethik und Verhaltensökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Das Gefühl von Sicherheit und Stabilität spiele hier eine entscheidende Rolle. Ein stabiles Rentensystem gehöre ebenso dazu wie die Perspektiven, die sich aus einem guten Bildungssystem und einer stabilen Wirtschaft mit einer geringen Arbeitslosigkeit ergäben.
Auch im „großen“ Deutschland möglich?
„Allerdings darf man nicht unterschätzen, dass es sich hier um kleine Länder handelt, in denen notwendige Veränderungen oft harmonischer angegangen werden können als in bevölkerungsreicheren Staaten“, sagte Enste dem Nordkurier. Zum Beispiel sei die Rentenreform in Frankreich derzeit schwieriger umzusetzen als jene im deutlich kleineren Schweden in den 1990er Jahren. Zudem seien vermutlich 40 bis 50 Prozent des gesellschaftlichen Glücksempfindens eher kulturell bedingt. „Doch den Rest, die übrigen 50 bis 60 Prozent, kann man gesellschaftlich und politisch organisieren und gestalten“, so Enste. Gerade die skandinavischen Länder hätten diesbezüglich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel richtig gemacht.
Was also kann die Bundesrepublik von den glücklichen Staaten dieser Erde lernen? Zunächst einmal, dass absolut nichts dagegen spricht, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ebenso viel richtig zu machen wie die Skandinavier in der jüngeren Vergangenheit. Ein ausgezeichnetes Bildungssystem und eine stabile Rente, die ein würdevolles Leben im Alter ermöglicht, wären ein guter Anfang.
Zwar ist dies alleine nicht ausreichend, um eine glückliche Bevölkerung zu garantieren. Doch umgekehrt können Mängel in diesen Systemen die Bürger ausreichend verunsichern, um Glück zu verhindern. Mehr noch: Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit ihren jüngsten, ältesten und schwächsten Mitgliedern umgeht, ist in hohem Maße bezeichnend für ihre Fähigkeit, ihren Bürgern Sicherheit und Stabilität zu schenken.
Vertrauen in Deutschland abhandengekommen
Ein Staat, der früh fördert, in der Hochleistungszeit fordert und im Alter verwöhnt, schafft Vertrauen in staatliche und gesellschaftliche Institutionen — ein Vertrauen, das die Bürger in Finnland, Island oder Dänemark auf natürliche Art und Weise empfinden, und das in Deutschland in Teilen der Bevölkerung abhanden gekommen zu sein scheint.
Und wenn man dann, wie in Finnland, auch noch weniger arbeiten muss, ist auch der Weg ins Glück frei: „Im globalen Vergleich mit Gesellschaften wie den USA, Japan und anderen haben die Menschen hier viel Freizeit und Urlaub“, sagte Peter Stadius, Historiker und Experte für Nordische Studien an der Universität Helsinki. „Du bist nicht in gleicher Weise mit der Arbeit verheiratet.“